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Rezension zu
Ein Wunder alle hundert Jahre

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Nächtliches Leuchten

Von: Thursdaynext
18.05.2018

„Bei Sonnenuntergang versammelten sie sich alle an dem steinigen Strand der Bucht und betrachteten das Wasser, das allmählich grünes Feuer fing … Streifen und Schlieren von Limettengrün tauchten am Ufer auf, als wären Hunderte, vielleicht Tausende Leuchtstäbe geknickt und dann in die Bucht geschüttet worden. Die Flecken aus phosphoreszierendem Neon wuchsen, breiteten sich aus und gingen ineinander über.“ „Ein Wunder alle hundert Jahre“ ist eine behutsam erzählte Geschichte, die ihren Sog langsam entwickelt. Eine außergewöhnliche, besondere Erzählung, die mich, kurz nach Lesebeginn recht schnell gepackt und das Buch in einen Pageturner verwandelt hat. Die Charaktere entfalten sich ruhig und unaufgeregt, wie der auktoriale Erzähler, der sich ebenfalls unaufdringlich im Hintergrund hält. Ashley Ream lässt ihnen Raum sich zu entfalten. Das liest sich angenehm sachlich, fast unemotional, trotz der dramatischen Ereignisse im Leben der Protagonisten, die in der Vergangenheit spielten und auf einen Höhepunkt, der in der Zukunft liegt, angelegt sind. Über allem schwebt das nächtliche Leuchten des „Wunders“, jene lumineszierenden Kleinstlebewesen „Artemia Lucis“, die nachts das Meer in der kleinen Bucht der Insel Ollo’eteet an der Küste von Washington Island erleuchten. Sechs Tage lang, während der Paarungszeit, alle hundert Jahre … Ein Forscherteam versucht dieses „Wunder“ zu untersuchen, um es zu schützen und zu bewahren, doch einige der Forscher verfolgen dabei eigene Interessen. Wie Rachel, die sich Heilung ihrer chronischen Schmerzen erhofft und John, Ureinwohner und Experte für Küstenökosysteme, der mehr um die Geheimnisse der kleinen biolumineszierenden Gliederfüßler weiß, da sie seinen dort ansässigen Stamm über die Jahrhunderte begleiteten und spirituelle Quelle waren. Dann ist da noch Harry, Musiker und Komponist, dem nicht mehr viel Zeit bleibt. Er stirbt an einer Nervenerkrankung (womöglich ALS), die die Verbindung des Gehirns zu den Muskeln langsam absterben lässt. Seine Exfrau Tilda, die ihre eigene Geschichte zu verarbeiten hat ist zurückgekehrt, um sich um ihn zu kümmern. „<<Ich richte ein Boot her>>, sagte Tilda, weil es der Wahrheit entsprach und zumindest irgendetwas war. ‚Ein Boot‘, sagte Tip, als hätte er zum ersten Mal etwas Derartiges gehört. ‚Ein Segelboot, ein kleines, Vielleicht sechs Meter.‘ ‚Ich wusste nicht, dass du dich mit Booten auskennst.‘ ‚Ich bin ja weiträumig. Ich enthalte Vielheiten.‘ Falls Tip das Whitman-Zitat erkannte behielt er es für sich.“ Ashley Ream erzählt viele Geschichten in „Ein Wunder alle hundert Jahre“. Geschichten um Liebe, Verlust, Verzweiflung. Auch diese weiträumig, vielheitlich und in unaufgeregter schöner Sprache, die mir ausnehmend gut gefiel. Aus einiger Distanz, mit ab und an aufblitzendem, leisen Humor, schildert sie die Menschen, ihre Gedanken, Beweggründe, Bedürfnisse und Gefühle in einer großartigen Naturkulisse, die man beim Lesen beinahe riechen und spüren kann. Diese Distanziertheit muss man mögen, sich auf den Sog den der Roman entwickelt und die emotionale Wucht die so klar und unbeteiligt geschildert wird, einlassen können Dies ist ein Buch für Erwachsene. Ein wenig Lebenserfahrung ist unabdingbar, um Zugang zu dieser großartig erzählten Geschichte zu finden. „Ein Wunder alle hundert Jahre“ wird noch lange nachhallen. Der Geruch nach Meer, Salz und Algen, das Gefühl von Sand und Wind auf der Haut, Ashley Ream hat es in ihrem Roman, dieser Mischung aus Roman und Thriller eingefangen. Noch eine Warnung: Wer sich angelockt durch Cover und Titel in der Hoffnung hier kitschige romantische Lovestory und Herzzschmerzdramen vorzufinden zum Buch entschließt wird sicher enttäuscht werden. Wer eine packende, außergewöhnliche Geschichte erzählt bekommen möchte und gerne selbst denkt wird hier fündig.

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