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Rezension zu
Beides sein

Mann, Frau, beides

Von: Esthers Bücher
13.05.2018

Noch bevor ich dieses Buch angefangen habe, war ich schon gewarnt, dass es nicht so leicht ist, einzusteigen, dass man die ersten 30 Seiten mindestens braucht, um in der Geschichte drin zu sein. Also habe ich mit viel Geduld gewappnet das Buch geöffnet – und konnte es für die ersten ca. 150 Seiten kaum mehr aus der Hand legen. Die Sprache und die Geschichte haben mich sofort gepackt, und haben mir wunderbare Lesestunden geschenkt. Inzwischen habe ich erfahren, dass manche Ausgaben mit dem in meiner Ausgabe als zweiten gedruckten Teil anfangen, was den etwas schwierigeren Einstieg erklärt. Ich weiß allerdings nicht, ob das auch für dieses Taschenbuchausgabe gilt. Beides sein erzählt die Geschichte zweier Figuren. George ist ein sechzehnjähriges Mädchen (und eigentlich heißt sie Georgia, wird aber trotzdem George genannt), das vor kurzem seine Mutter verloren hat und einen Weg sucht, mit seiner Trauer und den Erinnerungen an die Mutter umzugehen. Francesco del Cossa war ein Maler der italienischen Renaissance, er lebte ca. 500 Jahre vor George. Im Roman verbinden sich diese zwei Leben und Schicksale auf wundersame Art. Die Verbindung zwischen ihnen wird von Georges Mutter hergestellt. Sie ist es, die ein Bild von Francesco del Cossa in einer Zeitschrift entdeckt und davon dermaßen fasziniert ist, dass sie mit ihren beiden Kindern sofort nach Italien fahren muss, um es im Original zu sehen. Als mir beim Lesen klar wurde, dass es hier um ein tatsächlich existierendes Bild geht, musste ich selber auch sofort recherchieren (nein, ich bin nicht nach Italien gefahren – aber vielleicht kommt das auch noch). Zusammen mit George habe ich die im Internet auffindbaren Bilder von Francesco del Cossa studiert, und zusammen mit ihr habe ich gelernt, auf Details zu achten. George neigt dazu, sehr schnell eine Meinung zu fassen, oder gar zu entscheiden, dass etwas für sie uninteressant ist, und hält es für wichtiger, auf die grammatikalische Korrektheit einer Aussage zu achten, als auf den Inhalt. Das hat sie zwar nicht immer sympatisch gemacht, sie kam mir aber auch sehr bekannt vor. Als sie dann anfing, sich Zeit für die Beobachtung eines einzigen Bildes zu nehmen, trat ich mit ihr zusammen einen Schritt zurück und versank in den Werken dieses kaum bekannten Künstlers. Dabei stieß ich auf eine Beschreibung des Altarbildes, das er für die Griffoni Kapelle angefertigt hat. Ein Detail dieses Altarbildes ziert das Cover des Romans, es ist die Hand der Heiligen Lucia, die zwei Augen hält, die die Blüten einer Blume zu sein scheinen. Die Symbolik, die die Autorin dieser Beschreibung, Iulia Millesima darin entdeckt, mag zwar weit hergeholt sein, ich finde es zumindest übertrieben, in allem irgendwelche Symbole entdecken zu wollen, aber hier passt das verblüffend gut zum Roman (ich habe mich auch gefragt, ob Ali Smith das gelesen hat): […] how could I not notice that the right eye was an ancient symbol of Osiris and the left of Isis, and so that the balanced view is a symbol of our mercurial hermaphrodite, already fixed on a flower stem. Es wird nämlich nicht nur mit Georges Namen gespielt, auch im zweiten Teil des Romans, als Francesco del Cossa auftaucht, spielt Geschlecht und dessen Unbestimmtheit/Unbestimmbarkeit (Unwichtigkeit?) eine große Rolle. Mir fiel der Einstieg in diesen zweiten Teil etwas schwerer, war aber dann sehr angetan von der Figur dieses Malers, über den wir in Wahrheit kaum etwas wissen. Ali Smith erweckt Francesco mit sehr viel Gefühl zum Leben, und demonstriert dabei auch viel Kenntnis der Techniken der Renaissance-Malerei. Ich werde noch bestimmt öfter über dieses Buch nachdenken. Und ich denke, mehr kann man von einem guten Buch nicht verlangen. Übrigens ist ein Bild von Francesco del Cossa (Die Verkündigung) in Dresden in der Gemäldegalerie Alte Meister ausgestellt. Ich bin daran vor einigen Monaten einfach vorbeigegangen. Wenn das Francesco gesehen hätte…

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