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Rezension zu
Das Schloss

"Amtliche Entscheidungen sind scheu wie junge Mädchen"

Von: Esthers Bücher
12.05.2018

Kafka habe ich zuletzt noch im Gymnasium gelesen, Die Verwandlung hat mir aber damals keine Lust auf mehr von Kafka gemacht. Ich war also etwas unsicher, was mich erwartet, wenn ich jetzt endlich Das Schloss in die Hand nehme. Als Jugendliche hätte mich wohl auch dieses Buch nicht begeistert, obwohl das im Nachhinein schwer zu beurteilen ist. Nachdem ich aber nun einige amtliche Gänge hinter mir habe und auch oft genug irgendwelcher (angeblich) beruhigender Musik in der Warteschleife zugehört habe, erscheint mir die von Kafka erschaffene Welt in diesem Roman zwar verrückt, sie kommt mir aber auf eine unheimliche Art und Weise auch bekannt vor. Der Roman erzählt die Geschichte von K., der eines Abends in einem Dorf ankommt und nach einer nächtlichen Unterkunft suchend in einen Gasthof einkehrt. Zunächst wird ihm ein Platz am Ofen angeboten, doch dann wird er aus dem Schlaf gerissen und er erfährt, dass in diesem Dorf Fremde nicht gern gesehen sind, vor allem dann nicht, wenn sie etwas länger verweilen wollen. Als er daraufhin verrät, dass er vom Grafen als Landvermesser eingestellt wurde und deshalb hier ist, wird seine Aussage mit einem Anruf ins Schloss überprüft. Seine Situation kann zwar nicht ganz eindeutig geklärt werden, aber vorerst zumindest darf er bleiben. K. nimmt sich daraufhin vor, im Schloss seine Einstellung und seine Aufgaben zu klären – und damit beginnt sein Spießrutenlauf. Er unternimmt einen Versuch nach dem anderen, ins Schloss zu kommen oder zumindest mit einem Beamten aus dem Schloss zu sprechen. Für die Dorfbewohner ist er nicht nur ein Außenseiter, er scheint auch schwer vom Begriff zu sein, weil er die Arbeitsweise der unzähligen Schlossbeamten nicht zu verstehen scheint. Für die Leute im Dorf ist es das Natürlichste überhaupt, dass man sich dem Willen des Schlosses fügt, dass man die Entscheidungen der Beamten nicht hinterfragt, dass man – wenn nötig – Jahre auf eine Antwort wartet, und auch dann nicht verzweifelt, wenn diese Antwort niemals kommt. Frauen haben im Dorf daneben noch die besondere Ehre, eventuell zur Geliebten eines Beamten werden zu können, was ja gut ist, sind sie doch alle in die Beamten verliebt (und wenn doch nicht, werden sie geächtet). Da fragt man sich natürlich, was für ein Bild Kafka über Frauen hatte, schmeichelhaft ist das jedenfalls nicht, wie er das Liebesleben dieser Frauen darstellt. Der Roman zieht den Leser in seinen Sog. Auch wenn das Tempo langsam ist, kann man nicht anders, als immer weiter zu lesen. Zwar ohne Hoffnung, dass eine unerwartete Wendung kommt, eher fasziniert von dieser surrealen Welt mit ihren surrealen Figuren. Das Buch endet dann aber abrupt, Kafka hat es nie beendet. Meine Ausgabe beinhaltete noch ein Nachwort von Norbert Gstrein, aus dem man über die Pläne Kafkas zum Ende des Romans erfahren kann und auch Gstrein teilt hier seine eigenen Ideen dazu. Mir hat jedoch nichts gefehlt, der abrupte Abbruch der Geschichte lässt sie in meinem Kopf weiterlaufen und ist der perfekte Schluss für so eine unendliche Geschichte. Das Äußere eine Buches ist für mich meistens völlig unwichtig, aber schöne Bücher sind natürlich trotzdem immer ein Genuss. Deshalb muss ich in diesem Fall auch das zu Wort bringen. Der Menasse Verlag hat ein kleines Kunstwerk geschaffen, das trotz der kleinen Größe sehr gut leserlich ist. Ich habe dieses Buch sehr gerne mit mir getragen, es passte in jede Tasche perfekt.

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