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Rezension zu
Der ewige Gast

Ein Buch, das zum Nachdenken anregt

Von: Annette Traks
11.05.2018

Nach dem Abitur auf einem türkischen Elite-Gymnasium kommt Tosun Merey, Sohn eines Istanbuler Papierfabrikanten, 1958 nach Deutschland, wo er am Goethe-Institut in Blaubeuren Deutsch lernt. Er absolviert den Militärdienst in der Türkeit, kehrt danach aber nach Deutschland zurück, studiert an der Ludwig-Maximilians-Universität Betriebswirtschaft und entscheidet sich für ein Leben in Deutschland. 1968 heiratet er Maria, die auf einem bayerischen Bauernhof groß geworden ist, und bekommt mit ihr zwei Söhne. In der Familie wird ausschließlich Deutsch gesprochen - Tosun träumt sogar in dieser Sprache. Er verinnerlicht die deutsche Lebensweise, achtet die freiheitlich-demokratische Grundordnung, wird Manager einer deutschen Firma, erkämpft sich die deutsche Staatsbürgerschaft, obwohl er die türkische dafür abgeben muss. Doch trotz aller Bemühungen um Integration muss Tosun ca. 60 Jahre später erkennen, dass er in Deutschland keine neue Heimat finden konnte, da er meist als Mensch zweiter Klasse behandelt wird. Resümee: Can Merey (*1972), Journalist und Autor dieses Buches, ist Tosuns Sohn und erzählt die Geschichte seines Vaters. Zahlreiche Anekdoten aus dessen Leben verbindet er mit ausführlichen Informationen zu den jeweils herrschenden gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten in der Türkei bzw. Deutschland. Auf diese Weise kann der Leser die Entwicklung von 1958 bis in die nahe Gegenwart nachvollziehen. Can Merey betont ausdrücklich, dass dieses Werk keine Anklageschrift gegen Deutschland sein soll. Es gibt zweifelsohne etliche Türken, die sich nicht in die deutsche Gesellschaft integrieren wollen. Doch in Bezug auf Tosun Merey ist eine große Desillusion spürbar, dass er auch nach 60 Jahren, in denen er • die deutsche Sprache perfekt gelernt, • studiert, • eine Deutsche geheiratet und mit ihr eine Familie, in der ausschließlich Deutsch gesprochen wird, gegründet, • für eine deutsche Firma in gehobener Position gearbeitet, • die deutsche Staatsbürgerschaft und Lebensweise angenommen, kurz, in denen er alles versucht hat, Deutscher zu werden, nicht dazugehört, sondern der ewige Gast geblieben ist. Tosuns Integration ist also keineswegs an seiner Verweigerung gescheitert, sondern an der mangelnden Akzeptanz durch die Gesellschaft, die zum Teil in Fremdenfeindlichkeit ausartet. Und selbst seinem Sohn Can begegnet man heute vielfach immer noch mit einer gewissen Distanz und Skepsis bzgl. seiner Fähigkeiten. Das Buch regt zum Nachdenken an, umso mehr, wenn man liest, wie die Auswanderung von Tosuns älterer Schwester in die USA sowie ihre 100%-ige Eingliederung geglückt sind. Fazit: ein Werk, das die aktuelle Islam-Debatte und die Einstellung vieler Türken zu Präsident Erdogan von einer anderen Seite beleuchtet.

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