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Rezension zu
Das Echo der Bäume

Über das Weiterleben nach dem Krieg

Von: Buchfundbüro
03.05.2018

In ihrem Debütroman Das Echo der Bäume erzählt Sara Nović von einer kroatischen Kindheit im Krieg und einem Neuanfang in den USA. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem auch die Frage, wie eine Rückkehr in die Normalität und ein Weiterleben mit der traumatischen Erinnerung möglich ist.  Sommer 1991. Ana hat gerade ihren zehnten Geburtstag gefeiert, als der Krieg in ihre Heimatstadt Zagreb einfällt. Während die Tage nun zusehends von Bombenangriffen und Schreckensmeldungen aus dem Fernsehen bestimmt werden, versuchen sich Ana und ihre Freunde ihre kindliche Normalität weiterhin so gut es geht zu bewahren. Sie gehen zur Schule, machen auf dem Fahrrad die Stadt unsicher oder spielen auf den Sandsäcken der Barrikaden. Doch als brächte der Krieg allein nicht schon genug Sorgen mit sich, ist da auch noch die Sache mit Anas kleiner Schwester Rahela: Da der Säugling schwer nierenkrank und die medizinische Versorgung mehr als schlecht ist, beschließen die Eltern, das Mädchen vorübergehend zu einer Pflegefamilie in die USA zu geben und ihr so die lebensnotwendige OP zu ermöglichen. Rahela befindet sich bereits in der Obhut einer Hilfsorganisation, als Ana und ihre Eltern nach einem Besuch in Sarajevo in eine Straßensperre geraten. Was dann folgt, ist an Grausamkeit und Brutalität kaum zu überbieten. Gemeinsam mit weiteren Gefangenen wird die Familie von serbischen Soldaten zu einer Grube in einem Waldstück getrieben. Nur der Geistesgegenwart des Vaters – der sie im richtigen Moment auffordert, sich tot zu stellen – ist es dabei zu verdanken, dass Ana die Gruppenhinrichtung als Einzige überlebt. Wie aber kann ein Weiterleben nach der Katastrophe gelingen? Lässt sich das Trauma  – und mit ihm das Schuldgefühl der Überlebenden – irgendwann überwinden?  Dies sind die zentralen Fragen, die Nović zum Ausgangspunkt ihres Romans macht. Stück für Stück rekonstruiert sie im Verlauf der Handlung die Lebensgeschichte ihrer Protagonistin. So erfährt der Leser, dass diese unmittelbar nach der Ermordung der Eltern Unterschlupf in einem nahe gelegenen Dorf fand und sich dort einer bewaffneten Untergrundarmee anschloss. Er erfährt auch, wie Ana nach ihrer Rückkehr nach Zagreb mithilfe ihres Patenonkels und einer UNO-Mitarbeiterin außer Landes geschafft und schließlich von den amerikanischen Pflegeeltern ihrer Schwester adoptiert wurde. Zehn Jahre später scheint Ana in ihrem neuen Leben angekommen zu sein. Sie studiert, hat einen fürsorglichen Freund und ein freundschaftliches Verhältnis zu ihren Adoptiveltern Laura und Jack. Doch der Schein trügt. Denn hinter der Fassade der vermeintlichen Normalität kämpft Ana mit den Geistern ihrer Vergangenheit. Während ihre Schwester, die bereits als Baby in die USA kam, kaum Erinnerungen an das frühere Leben in Kroatien besitzt, fühlt sich Ana innerlich regelrecht zwischen zwei Welten zerrissen. Das Gefühl, "anderswo hinzugehören", ist ihr ständiger Begleiter.  Wie eine unsichtbare Wand schiebt sich die Vergangenheit dabei zwischen Ana und ihre Umwelt. In Amerika muss Ana so immer wieder schmerzhaft erfahren, wie unbegreiflich das von ihr Erlebte für Menschen ist, die selbst nie mit der Gewalt des Bürgerkrieges in Berührung gekommen sind, wie schwer es für Außenstehende zu verstehen ist, warum sich selbst ein Kriegsgebiet  "immer noch wie Heimat anfühlen kann." Das Sprechen über die eigene Biografie, über ihre Erinnerungen, Sorgen und Ängste, wird zum Ding der Unmöglichkeit. So entwirft Ana alternative Kindheitsgeschichten: Statt um heulende Sirenen und verschwundene Angehörige geht es darin um Klingelstreiche und Spiele in Luftschutzkellern, bis Zagreb ihren Zuhörern "am Ende wie ein spaßiger Rummelplatz erscheinen musste."  Doch je älter Ana wird, desto unerträglicher wird auch das Gefühl, dass in ihrem amerikanischen Umfeld niemand – nicht einmal sie selbst – wirklich weiß,  wer sie eigentlich ist. In der Hoffnung, der eigenen Identität wieder näherzukommen, fasst sie so eines Tages den Entschluss nach Kroatien zu fahren und sich dort auf die Spuren der eigenen Geschichte zu begeben. In Zagreb trifft Ana ihren alten Freund Luka wieder, mit dem sie nach und nach die Orte ihrer Kindheit aufsucht. Anas Reise in die Vergangenheit beschreibt Nović dabei als den verspäteten Abschied von einem Zuhause, das unwiederbringlich zerstört ist – in der Erinnerung aber mit all seinen Facetten, den grausamen wie den schönen, fortbesteht. Mit klarer, anschaulicher Sprache gelingt es Nović, in ihrem Roman die Schrecken des Krieges und seine traumatischen Folgen greifbar zu machen, ohne dabei in unnötigen Gewaltvoyeurismus zu verfallen. Auf einfühlsame Weise lässt sie den Leser in  Das Echo der Bäume am Schicksal einer jungen Frau teilhaben, die in der Gegenwart nicht ankommen und der Vergangenheit nicht entfliehen kann. Dass Nović dabei einfache Lösungen zur Aufhebung dieses Konfliktes gar nicht erst anbietet, zählt dabei zu den Stärken des Romans – macht er doch auf diese Weise die Langlebigkeit und Tiefe der Verletzungen der Überlebenden des Krieges umso spürbarer. 

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