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Rezension zu
Flüchtige Seelen

Unglaublich bewegend.

Von: SeekingZamonia
02.05.2018

Janie kam als kleines Mädchen aus Kambodscha nach Kanada. Sie hat sich in Montréal ein Leben als erfolgreiche Neurologin aufgebaut, hat Mann und Sohn. Als ihr Mentor und Kollege Hiroji urplötzlich und spurlos verschwindet, macht sich Janie auf die Suche. Nach ihm und nach ihrer eigenen Vergangenheit - denn beides ist eng miteinander verknüpft. Beide haben ihre Geschwister während der Zeit der Roten Khmer verloren, beide haben schlimmste Traumata erlebt und können nicht abschließen mit der Vergangenheit, die tiefe Wunden in ihre Seelen gerissen hat. - Janie befasst sich beruflich mit Menschen, die ihre Erinnerung verlieren. Und kämpft selbst mit ihrer Vergangenheit, ihren Emotionen und vor Allem ihren Erinnerungen. Die Roten Khmer haben sie umgestrickt, die einzelnen Menschen. Haben die Geschichten neu geschrieben, Erinnerungen verändert, ganze Leben neu kreiert. Janie hatte mal einen anderen Namen, war jemand Anderes. Sie wurde gerettet aus Kambodscha, bekam eine neue Chance bei einer Pflegefamilie. Aber ihr Bruder, der ist verschwunden. Somit lebt ihre Vergangenheit in ihrer Gegenwart, denn sie kann nicht abschließen, ihre Fragen nicht klären - und ihre Scham darüber, dass sie, anders als vermutlich ihr Bruder, gerettet werden konnte zermürbt sie. Man folgt Janie auf ihrer emotionalen Reise in ihre Vergangenheit und ihre Erinnerungen, man springt zwischen Kanada und Kambodscha, zwischen dem Heute und dem Vergangenen. Manchmal ist es schwierig, sofort hineinzufinden in die Gedankengänge, in die Haken, die das Buch kapitelweise schlägt, in die Gedanken, die zwischen verlassenen Kindern, Gewalt und Schuldgefühlen springen. Aber diese Schwierigkeit braucht das Buch, denn sie spiegelt die emotionale Verfassung der Protagonistin wieder. Das Zerrissene, das Wirre - das macht sie aus, die Menschen, die einen Krieg erleben mussten. Sprachlich sehr leise aber unglaublich berührend erzählt Madeleine Thien von Schicksalen, die einen so schnell nicht mehr loslassen. Eigentlich steht Kambodscha hier nur stellvertretend für alle großen Konflikte unserer Welt - und Janie und Hiroji nur Beispiele für so Viele, die traumatisiert und emotional zerstört sind von Kriegen. Das Buch und seine Botschaft ist zeitlos, ein Spiegel für jede Generation, die Gewalt und Zerstörung erleben muss und die Konsequenzen mitnimmt in die Zukunft. Hier gibt es Krieg ohne plakative Gewalt, es wird nicht filmhaft gemordet, es fließt kein Blut. Poetisch und zwischen den Zeilen erlebt der Leser das Unfassbare, was Janie erlebt haben muss. Leise und emotional leidet man mit, erlebt die Qualen, die teils unglaublich grausamen Situationen, in denen die Protagonisten überleben mussten. Die Zerrissenheit, die Schuldgefühle, die ungeklärten Fragen nach der eigenen Identität, man kann ihnen nicht entkommen beim Lesen dieses Buches. Man kann es nicht weglegen, auch wenn es einem manchmal das Herz bricht. Und wenn man fertig ist, dann ist man trotzdem noch da, emotional gefangen von dem, was man dort mit Janie erleben musste.

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