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Rezension zu
Die grüne Lüge

Die grünen Lügen der Großkonzerne

Von: Kim F
19.04.2018

Seit März läuft der Film „The Green Lie“ von Werner Boote und Kathrin Hartmann in den Kinos, dessen Themen die Autorin auch in ihrem neuen Buch aufgreift. Sie stellt die verschiedenen Formen des Greenwashing, also den Versuch unzähliger Konzerne, ihre klimaschädigenden Geschäfte mit Öko- und Sozialversprechen zu tarnen, eindrucksvoll heraus. Denn hinter der Fassade der wohlklingenden Versprechen der Wirtschaft schreitet die Zerstörung unseres Planeten und damit unserer Lebensgrundlage stetig voran. Der Verbrauch fossiler, mineralischer und pflanzlicher Rohstoffe verdoppelte sich zwischen 1980 und 2010, während die Artenvielfalt rapide abnimmt, immer mehr Menschen hungern, die Wälder schwinden, die Böden degradieren und die Emissionen weiter steigen. Derzeit leben wir weltweit so, als hätten wir 1,6 Erden zur Verfügung, in Deutschland sogar so, als hätten wir 3,1 Erden. Die große Mehrheit weiß dies und leugnet dies auch nicht, doch trotzdem glauben wir nur allzu gerne den Versprechen der Unternehmen. Dass es auch anders geht, zeigen immer mehr Menschen, die sich gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage wehren, wie der Bauer Saúl Luciano Lliuya aus Peru, der das Energieunternehmen RWE verklagt. Kathrin Hartmanns Vorgängerbuch „Aus kontrolliertem Raubbau“ rüttelte mich vor ein paar Jahren endgültig auf, was all die Lügen und Versprechen zahlreicher Großkonzerne anging, die wir täglich vorgesetzt bekommen und die auch ich gutgläubig bis dahin wenig hinterfragt hatte, ebenso die Rolle der Politik, die ich zuvor für wesentlich unbeeinflusster durch die Wirtschaft hielt. Es begann für mich eine Zeit, in der ich, je mehr ich Bücher zum Thema Klimawandel las, umso stärker mein seit meiner Kindheit entwickeltes Weltbild revidieren musste, was einerseits sehr schmerzhaft war – wer löst sich schon gerne von vertrauten Grundannahmen? – und andererseits auch nicht ohne Konflikte vonstattenging, da man vielmals aneckt, wenn man gängige Meinungen hinterfragt. Für diesen Anstoß, meine Grundannahmen zu unserer Welt zu hinterfragen, bin ich Frau Hartmann überaus dankbar und würde mir wünschen, dass dies bei so viel mehr Menschen auch geschieht, damit wir vielleicht diesen Planeten und damit auch die Menschheit noch retten können. Langer Rede, kurzer Sinn: ich war natürlich sehr gespannt auf ihr nächstes Buch, das genauso toll recherchiert ist wie sein Vorgänger, wenn es mich auch nicht mehr so sehr aufrüttelte wie zuvor, was vor allem daran liegen wird, dass ich mich viel mit den Auswirkungen des Klimawandels beschäftigt habe und man leider oftmals resigniert und die als übermächtig empfundenen Machenschaften der Konzerne notgedrungen hinnimmt, was Frau Hartmann auch in ihrem Buch thematisiert. Dieses behandelt nach einem Vorwort in 5 Kapiteln beispielhaft verschiedene Firmen bzw. Wirtschaftszweige, in denen sehr erfolgreich Greenwashing betrieben wird. Angefangen mit der Ölkatastrophe im Golf im Mexiko durch BP im Jahr 2010, wodurch 780 Millionen Liter Öl ins Meer strömten. Laut BP ist mittlerweile wieder alles in Ordnung, keine Langzeitfolgen für die Natur, Tiere hätten keinen Schaden genommen, Fische könne man ruhig essen, klingt ja bereits viel zu schön, um wahr zu sein. Stattdessen wurde durch den Einsatz des Gifts Corexit, das Öl in kleine Teile auflöst, die dann von Mikroben gefressen werden sollten, in erster Linie versucht, das Öl von den Küsten fernzuhalten und somit für uns Menschen unsichtbar zu machen. Tief unten im Meer befindet sich laut einer Studie der University of California von 2014 immer noch etwa die Hälfte des ausgeströmten Öls auf einer Fläche, die mehr als dreimal so groß wie Berlin ist, während sich BP für sein Krisenmanagement feiert, stets unterstützt durch Regierungsvertreter, die an Untersuchungen in der Region kein Interesse zeigen. Dass Tausende Helfer durch ihren Einsatz krank geworden sind, unabhängige Studien immer noch enorme Folgen für Tiere und Umwelt feststellen, passt natürlich nicht in das Bild, das der Konzern von sich präsentiert, der sich noch in Werbespots für seine Investitionen in erneuerbare Energien lobt, während er die Ölproduktion weiter ausbaut. Ähnlich Schockierendes erfährt in den anderen Kapiteln, in denen es um die wahnwitzige Idee, Kleider aus Ozeanplastik herzustellen, um die Meere vom Plastik zu befreien, die Darstellung der Regenwaldzerstörung für Palmöl durch die Industrie, aber auch NGOs als Umweltschutz, die Unterstützung der Politik für das Greenwashing der Konzerne und die Vertreibung der Indigenen von ihrem Land in Brasilien zugunsten der Fleisch- und Futterproduktion geht. Im letzten Teil wird anhand einiger Beispiele – allen voran der Kampf des Bauern Saúl Luciano Lliuya gegen RWE – aufgezeigt, wie sich mittlerweile Indigene oder Arbeiter des Südens gegen ihre Ausbeutung und die Zerstörung ihrer Heimat wehren, verbunden mit dem Aufruf an uns alle, angesichts der übermächtig wirkenden Konzerne, die uns von PR-Leuten ausgeklügelte grüne Lügen auftischen und von der Politik unterstützt werden, nicht zu verzagen und gemeinsam für mehr Umweltschutz und menschenwürdige Produktionsverhältnisse zu kämpfen. Dieser Abschluss erschien mir zunächst etwas schwach, als Leser wünscht man sich nach all den schockierenden Informationen schließlich immer Lösungsansätze und Hoffnung. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto eher konnte ich den Schluss der Autorin verstehen. Es gibt schlichtweg keine simple Lösung, die sie uns präsentieren kann, da wir den Klimawandel nur noch eindämmen können, wenn wir unsere Gewohnheiten ändern, was uns Menschen stets enorm schwerfällt. Frau Hartmann appelliert durchweg für eine Reduzierung unseres Ressourcenverbrauchs, ein Immer weiter so können wir uns einfach nicht mehr leisten. Wir müssen uns einschränken, nicht durch immer neue Techniken vermeintliche Lösungen finden, um weiter auf Kosten anderer in Saus und Braus zu leben. Wenn wir weiter so konsumieren, leiden weiterhin die Menschen auf der anderen Seite der Erde. Nur indem wir ihre Einkünfte und Ländereien begrenzen und ihre Natur zerstören, können wir unsere Verschwendung weiterführen. Anders kann dieses kapitalistische System nicht funktionieren. Wenn ich zu viel habe, haben andere zu wenig. Solange dies jedoch nicht in den Köpfen aller angekommen ist und daraus Verhaltensänderungen entstehen, können wir unsere Lebensgrundlage nicht retten. Solange können Großkonzerne auch weiterhin tun und lassen, was sie wollen, die Entrüstung ebbt schnell wieder ab, wir wenden uns erneut unserem Alltag zu. Deshalb kann man dieses aufwändig recherchierte Buch auch gar nicht genug loben, zeigt es uns doch die Missstände unmissverständlich auf und lässt uns eben nicht ruhig unseren Alltag weiterführen, während in anderen Teilen der Welt Menschen leiden und die Natur zerstört wird. Fazit Erneut hat mich Kathrin Hartmann mit ihrem nächsten Werk überaus überzeugt. Ihre ausführlichen Recherchen vor Ort verdeutlichen bereits den Aufwand, der in das Buch und den Film geflossen ist, zusätzlich zu all der Quellenrecherche, die das umfangreiche Anmerkungsverzeichnis im Anhang zeigt. Sie leistet damit einen enormen Beitrag zur Aufdeckung all der Machenschaften der Konzerne rund um den Globus, die diese hinter grünen Fassaden verstecken. Man wird wieder aus seinem Alltag wachgerüttelt und daran erinnert, welches System wir alle durch unsere Duldung mittragen.

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