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Rezension zu
Die Gabe

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Intensiv und unbequem

Von: Bookmarked
28.03.2018

Von einem Tag auf den anderen entdecken Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt, dass sie eine Gabe entwickelt haben, mit der sie anderen Menschen durch eine einzige Berührung große Schmerzen zufügen und sie sogar töten können. Diese plötzliche körperliche Überlegenheit führt zu einem Machtwechsel zwischen Männern und Frauen und großen gesellschaftlichen Veränderungen. Mein Eindruck: Die Grundidee finde ich unheimlich spannend. Was würde passieren, wenn Frauen plötzlich körperlich überlegen sind? Welche Auswirkungen hätte das auf das Zusammenleben von Männern und Frauen und wären Frauen wirklich besser, wenn sie derart viel Macht besäßen? Zuallererst möchte ich für dieses Buch eine Trigger-Warnung aussprechen, da es in der Geschichte eine Vielzahl brutaler Vergewaltigungen gibt. Die Geschichte wird hauptsächlich aus vier verschiedenen Perspektiven erzählt, die sich mit fast jedem Kapitel abwechseln. Zusammen mit den eher kurzen Kapiteln wirkte das Buch dadurch unheimlich rasant, erschwerte mir aber gleichzeitig die Bindung zu den Charakteren. Zum einen folgen wir zwei jungen Frauen, Allie und Roxy, die in sehr schwierigen Verhältnissen aufwuchsen und bereits Gewalt durch Männer erfahren mussten. Die Gabe ermöglicht ihnen also die Rache an ihren Peinigern und als Leserin waren diese Szenen mit einer gewissen Genugtuung verknüpft, die mich selbst erschreckte. Die einzige männliche Perspektive ist die des Journalisten Tunde, der insbesondere in jene Länder reist, in denen Frauen bisher unterdrückt wurden um zu dokumentieren, welche Folgen die Entdeckung der Gabe hat. Grundsätzlich hat das Buch sehr starke und unangenehme Gefühle in mir ausgelöst, denn die gesamte Stimmung ist extrem negativ und hasserfüllt. Die Nutzung der Gabe geht sehr schnell über reine Selbstverteidigung hinaus und so erfährt man im weiteren Verlauf fast ausschließlich von grausamen Frauen, die ihre Macht missbrauchen und Spaß daran haben Männer zu quälen sowie von Männern, die mit allen Mitteln der Gewalt versuchen ihre Machtposition wiederzuerlangen. Es ist ein Krieg zwischen Männern und Frauen, der mir absolut unbegreiflich ist. Der Geschichte fehlt es dadurch an Komplexität, da man viel zu wenig von all jenen Frauen erfährt, die ihre neue Fähigkeit nicht zu ihrem Vorteil nutzten möchten und von Männern, die einen gemäßigten Umgang mit der neuen Situation haben. Es gibt keinerlei Miteinander oder Nächstenliebe. Es fehlt die Balance. Womöglich sollte diese einseitige und extreme Darstellung die eigentliche Aussage des Buches unterstreichen: Gleichberechtigung heißt eben, dass weder Frauen noch Männer einander überlegen sind. Aber gerade die Fragestellung ob Frauen allein durch ihre körperliche Überlegenheit plötzlich Männer vergewaltigen oder in die Prostitution zwingen war für mich interessant. Hängt die Tatsache, dass aktuell weniger Gewalttaten von Frauen verübt werden lediglich daran, dass sie körperlich nicht stark genug sind? Das Buch beantwortet diese Frage mit „JA“ und stellt entsprechendes Verhalten schockierend in Szene. Mir war das irgendwie zu einfach und der Wandel ging mir ebenfalls zu schnell. Männern wird in diesem Buch schreckliches durch Frauen angetan und obwohl diese Dinge tagtäglich andersherum geschehen, haben mich diese Szenen extrem aufgewühlt, sodass ich mir die unangenehme Frage stellen musste ob ich es normaler finde, wenn Frauen durch Männer missbraucht werden als andersherum. Der Epilog ist dahingehen unheimlich interessant und unterstreicht diesen Gedanken. Ich denke man kann dieses Buch auf sehr viele unterschiedliche Arten lesen und interpretieren. Vielleicht soll der Rollentausch dem Leser vor Augen führen, welch schreckliche Dinge Frauen noch heute angetan werden, indem sich nun Männer in dieser Opferrolle befinden und sich das irgendwie komisch bzw. falsch anfühlt und mehr schockiert. Es kann dafür plädieren, dass Gleichberechtigung nur erreicht wird, wenn die körperliche Überlegenheit des Einen niemals als Vorteil gegenüber dem Anderen genutzt wird und es kann zeigen, dass Frauen nicht besser sind als Männer. Fazit: Ich hätte mir eine andere, etwas differenzierte Umsetzung des Themas gewünscht, kann aber nicht leugnen, dass ich ein sehr intensives Leseerlebnis mit dieser Geschichte hatte und sie so schnell nicht vergessen werde. Es ist ein sehr unbequemes und extremes Buch über das ich noch sehr viel nachdenken musste. Daher empfehle ich es jedem, der mit einer solchen Thematik und expliziten Darstellung zurechtkommt.

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