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Rezension zu
Runas Schweigen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Runa von Vera Buck - Spannende Fiktion trifft auf schockierende Realität

Von: Nadine
15.03.2018

Vera Buck vereint in ihrem Debütroman „Runa“ spannende Fiktion mit schockierender Realität, um die Abgründe der Wissenschaft anschaulich und authentisch darzustellen. Basierend auf historischen Fakten und Persönlichkeiten der Medizingeschichte, entführt sie den Leser an das Hôpital de la Salpêtrière in Paris, welches Ende des 19. Jahrhunderts als Europas berühmteste Nervenheilanstalt und Zentrum der modernen Neurologie galt. Die öffentlichen Vorlesungen des renommierten Neurologen Dr. Jean-Martin Charcot, in denen er Experimente an hysterischen Patientinnen durchführt und deren Anfälle zur Schau stellt, sind wahre Publikumsmagnete und das gesellschaftliche Ereignis in Fachkreisen. Als Leiter der Salpêtrière Klinik verfügt Dr. Charcot über eine unerschöpfliche Anzahl an Versuchspersonen, mit denen er seine Hypnose-Vorführungen inszenieren und fragwürdige Forschungsmethoden erproben kann. Als jedoch das neunjährige Mädchen Runa in einer von Charcots Vorlesungen den grausamen Behandlungsmethoden trotzt und völlig apathisch und regungslos bleibt, wittert der Schweizer Medizinstudent Jori seine Chance, an den begehrten Doktortitel zu gelangen. Runa wird ihm als Forschungsobjekt zur Verfügung gestellt, damit er ihr den Wahnsinn aus dem Gehirn operieren kann. Das dies die erste erfolgreiche Hirnoperation am lebenden Menschen in der Medizingeschichte sein könnte, spielt dabei für Jori keine Rolle. Der Erfolg des Eingriffs ist ihm in erster Linie aus privaten Gründen wichtig. Die Rahmenhandlung des Buches strickt sich um den jungen Medizinstudenten Jori, der sowohl sein berufliches als auch privates Ziel an der Salpêtrière zu finden hofft. Dort begegnet er vielen bekannten Persönlichkeiten, unter anderem Charcot, Bleuler, Babinski oder Tourette, die Vera Buck perfekt in Szene setzt. Dabei bleibt sie mit den Figuren immer dicht an wahren historischen Begebenheiten und ich hatte bei eigenen Recherchen zwischendurch oft die Angst, mich selbst mit dem einen oder anderen Artikel zu spoilern. Nebenbei laufen weitere Handlungsstränge mit fiktiven Figuren ab, deren Geschichten so unterschiedlich und belanglos auf die Haupthandlung erscheinen, dass ich das Buch fast abbrechen wollte und jedes Mal froh war, wenn die Geschichte rund um Jori fortgeführt wurde. Aber da hilft nur eins – unbedingt durchhalten! Denn auch wenn das Buch einen relativ langen Vorlauf braucht, verknüpft sich am Ende alles zu einem großen Ganzen und haut einen aus den Socken. Die Autorin haucht ihren Charakteren mit verschiedenen Redewendungen und Eigenarten soviel Leben ein, dass sie unglaublich authentisch wirken und kein Zweifel daran besteht, welcher Figur man nach einem Perspektivwechsel folgt. In diesem Zuge muss ich neben dem Protagonisten Jori, der mit dem näher rückenden Operationstermin von Runa eine fast brüderliche Beziehung zu ihr aufbaut und immer größer werdende Zweifel an der Wissenschaft hegt, besonders den ehemaligen Polizeiinspektor Lecoq hervorheben. Auf eigene Faust ermittelt er in einem mysteriösen Mordfall, obwohl er nach neuesten Erkenntnissen der Physiognomie eher zu einer Verbrecherkarriere neigt. Ein großartiger Charakter! Vera Buck kreiert mit Paris eine detailreiche und stimmungsvolle Kulisse, die im harten Kontrast zu der trostlosen Atmosphäre der überfüllten Krankensäle und kalten Operationsräume steht. Schonungslos beschreibt sie brutale Behandlungs- bzw. Foltermethoden, die im Dienste der Wissenschaft geschehen. Ihre Beschreibungen wirken weniger eklig, lassen den Leser aber schockiert und fassungslos zurück. "Man kam nicht her, um zu genesen, sondern um zu sterben." Im Endeffekt eine unglaublich gut recherchierte, stimmige und genreübergreifende Geschichte, die mich umgehauen hat. Die Handlungsstränge laufen am Ende so geschickt zusammen, dass ich über den langatmigen Vorlauf definitiv hinweg sehen kann. Eine klare Leseempfehlung und mein März-Highlight.

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