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Rezension zu
Die Gabe

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Tolles Gedankenspiel, aber unzureichende Auflösung

Von: Sonne
10.03.2018

Wir schicken Elektrizität durch geregelte Schaltkreise und Schalter, doch sie will die Form eines lebenden Wesens annehmen, eines Farnkrautes, eines nackten Zweiges. Der Blitz schlägt in der Mitte ein, das Licht strebt nach außen. Diese Form wächst in uns allen, unser innerer Baum aus Nerven und Blutgefäßen, inklusive Stamm und aller Äste. Die Signale werden von unseren Fingerspitzen über die Wirbelsäule ins Gehirn geleitet. Wir sind elektrisch. Die Gabe, diese einzigartige Kraft, lebt in uns, wie sie es auch in der Natur tut. Meine Kinder, alles, was hier geschieht, befindet sich im Einklang mit dem Gesetz der Natur. -- INHALT: Bei manchen hat es sich schon länger angekündigt, bei anderen kam es ganz plötzlich und unerwartet: Junge Mädchen auf der ganzen Welt entwickeln auf einmal etwas, das bald "Die Gabe" genannt wird: Es ist ihnen möglich, Elektrizität mit ihren Fingern auszusenden, anderen Schmerzen zuzufügen, sie zu töten. Teilweise können die Mädchen es auch an erwachsene Frauen weitergeben, und damit kehrt sich nun das Altbekannte um: Jetzt sind die Männer das schwache Geschlecht und haben sich den Frauen unterzuordnen. Doch im Umschwung lassen Krieg und Gewalt nicht lange auf sich warten. Die Frauen, getrieben von Macht und Hass, scheinen die Welt nicht gerechter zu machen... MEINE MEINUNG: "Die Gabe" verfolgt ein Gedankenexperiment, das so interessant ist und so wichtig bei all den Geschlechterkämpfen, dass mich der Ideenreichtum schier umhaut. Gepriesen als neues "The Handmaid's Tale", von Margaret Atwood selbst gelobt - ein Roman also, der nicht nur unterhalten, sondern vor allem zum Nachdenken anregen will. Dafür gibt es auch verschiedene Perspektiven: eine skrupellose Politikerin; ein misshandeltes Mädchen, das als Gottheit verehrt wird; die Tochter eines Verbrechers; und ein nigerianischer Reporter, der von Anfang an dabei ist. Die Perspektiven sind allerdings leider etwas inkonsistent, teilweise sehr unterschiedlich im Spannungslevel - und auch der Stil verändert sich außer in den Dialogen recht wenig. Bezeichnend ist, dass es keinen weiblichen Sympathieträger gibt. Bezeichnend besonders im Anbetracht dessen, was Frauen in der Vergangenheit erlebt haben und wie sie dies hier nun dagegen eintauschen, selbst Übel zu verbreiten. Natürlich schwelt im unterdrückten Geschlecht der Wunsch, auch selbst einmal Macht zu haben - aber diese Entwicklung zu brutalen Unterdrückern geht hier doch sehr schnell, und gegensätzliche Stimmen gibt es kaum. Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie Margot als Politikerin ihre Kraft für den Aufstieg benutzt, gleichzeitig bringt sie die Geschichte aber auch wenig voran. Ausreißerin Allie verfolgt ihren eigenen Plan und nutzt dafür den religiösen Wahn, aber sie macht lange keine Entwicklung durch. Nur Roxy und Tunde, erstere getrieben von Rache und Verrat, letzterer von dem Wunsch, jemand zu sein, konnten mich in ihren Kapiteln eigentlich immer fesseln. Insgesamt ist "Die Gabe" schwierig zu bewerten, vor allem als ein Buch, das mehr sein will als eine Dystopie. Es wirft sehr interessante Fragen auf und besitzt ein Szenario, das erschreckend ist - denn egal, welches Geschlecht die Macht besitzt, es wird nicht gerecht sein. Brutalität, Vergewaltigung, Verfolgung sind das Ergebnis, was teilweise schwer zu verkraften ist. Gleichzeitig bietet der Roman aber nicht einmal im Ansatz eine Lösung, es wird alles nur schlimmer, und dann fehlt auch noch der richtige Höhepunkt, der Umschwung, das Ergebnis. Eingebettet als Geschichtsroman eines Mannes in einer eben solchen von Frauen regierten Welt, funktioniert das nicht komplett. Zum Schluss fehlt einfach ein Knall, und das ist schade. FAZIT: Naomi Aldermans Idee ist so genial wie anders, weswegen "Die Gabe" trotz einiger Kritikpunkte ein Buch ist, was man gelesen haben sollte. Denn eine Herrschaft durch Frauen würde nicht automatisch alle Probleme lösen. Letztendlich fehlt aber einfach ein befriedigendes Ende. Knappe 3,5 Punkte.

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