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Rezension zu
Wer war Alice

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Etwas andere Erzählstruktur

Von: Thomas Lawall
21.02.2018

So ist das, wenn man stirbt. Als normal Sterblicher. Freunde, Verwandte und Bekannte nehmen davon Notiz, aber dann ist es schon vorbei. Ganz anders, wer reich, berühmt oder beides war. Dann sind einem, je nach Rang auf der Hühnerleiter, mehr oder weniger Zeilen und Bilder in den Geschichtsbüchern der Menschheit sicher. Alle anderen verschwinden im Nichts. Professor Jeremy Cooke ist da anderer Ansicht. Zumindest was Alice Salmon betrifft. Acht Jahre ist es her, als sie noch Studienanfängerin war. Hin und wieder bemerkte sie der Anthropologe in den ersten Monaten ... und jetzt ist die junge Journalistin tot. Mit Freunden unterwegs, verlor sich ihre Spur in jener Nacht. Ihre Leiche wird in einem Kanal in Southhampton gefunden. Alice war stark alkoholisiert, weshalb für die Polizei der Fall schnell klar ist und zu den Akten gelegt wird. Für Jeremy Cooke jedoch nicht. 25 Jahre sind zu kurz und an einen Unfall glaubt er nicht. Er will ihren Lebensweg nachzeichnen. Den Spuren folgen, die sie hinterlassen hat. Sie aus jenen "flüchtigen Splittern" wieder zusammensetzen. Dieses Vorhaben beschreibt T.R. Richmond präzise und in mühevoller Kleinarbeit. Man sollte sich also nicht auf ein Leseerlebnis der gewöhnlichen Art vorbereiten, denn die gewählte Form unterscheidet sich von konventionellen (Psycho-)Thrillern doch ganz erheblich. Die von ihm gewählte Erzählstruktur ist keinesfalls so, wie es allgemein erwartet wird: flüssig geschrieben. Das verhindern schon die grundverschiedenen Erzählebenen und Zeitachsen, sowie die damit verbundenen Sichtweisen und Standpunkte derjenigen Menschen, die Alice auf ihrem Lebensweg begleitet haben. T.R. Richmond hat sich entschieden, die Geschichte aus den unterschiedlichsten Quellen zusammenzusetzen. Hierzu verwendet er Einträge aus sozialen Netzwerken, Alice' Tagebucheinträge, Briefe, Blogeinträge, E-Mails, Zeitungsberichte und SMS-Verläufe, wobei zuletzt genannte fast etwas unrealistisch erscheinen. Sie enthalten keine orthografischen Fehler! Die Realität zeigt ein anderes Bild. Gut, eine ganz bestimmte Person macht hier eine Ausnahme ... Der permanente Wechsel der Perspektiven erfordert höchste Aufmerksamkeit, und das Verständnis wird durch die Einbeziehung von umfangreichen Dialogen, die an unüblicher Stelle eingefügt wurden, nicht gerade erleichtert. Man wähnt sich im Hier und Jetzt, bis man daran erinnert wird, dass es sich ja nur um eine persönliche E-Mail oder einen Tagebucheintrag handelt, in welchem seitenlange Dialoge eigentlich nichts zu suchen haben. Ebenso verwirrend ist die Ich-Form, welche in diesem Fall nicht zwangsläufig bedeutet, dass immer die gleiche Person erzählt. Aber genau das ist es, was den Roman zu etwas Besonderem macht. Eine Art Spiel. Mit dem Leben, und jenen, die es uns immer wieder schwer machen. Ein Tanz um zwischenmenschliche Abgründe. Dieses komplexe Puzzle zusammenzusetzen kann spannender nicht sein und ist zudem als Filmumsetzung gut vorstellbar. Jeremy Cooke schreibt ein Buch. Ein ganz bestimmtes Buch. Und in einer E-Mail an Alice' Mutter schreibt er einen Hilferuf und ein Loblied zugleich. Er sieht nur eine Möglichkeit, "aus diesem Wahnsinn schlau zu werden" ... "Wer war Alice?" ist kein Psychothriller, wie uns der Klappentext weismachen will. Eher ein Kriminalroman mit anderen Mitteln. Jene, die es nur im Internetzeitalter geben kann. Ihr Name war Alice Salmon. Anlässlich eines Schreibwettbewerbs schrieb sie im Alter von fünfzehn Jahren, gezwungen, sich auf höchstens 1000 Wörter zu beschränken: "Ich hoffe, ich bin mehr als zweihundertmal fünf Wörter. Vielleicht noch nicht jetzt, aber hoffentlich eines Tages." Wer war sie?

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