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Rezension zu
Carl Tohrberg

Urteilen wir zu schnell?

Von: Kyra
21.01.2018

Ferdinand von Schirach hat mit Terror polarisiert wie kaum ein anderer. Mit viel Fingerspitzengefühl schafft er es, das Wesentliche zu beschreiben und zwei Seiten einer Medaille aufzuzeigen, ohne dabei zu emotional zu werden oder eine Meinung zu vertreten. So auch in dem kleinen Büchlein Carl Tohrberg. Drei Geschichten über Menschen, deren Lebensweg so vorgezeichnet scheint, und die dann doch überraschen. Da ist der Bäcker, der alles hatte, erfolgreich war, hart gearbeitet hat und aus Schmerz über den angeblichen Betrug den scheinbaren Nebenbuhler erschlug. Das Leben nach dem Gefängnis ist leer, trist, nicht mehr so erfolgreich wie zuvor. Bis eine neue Frau in sein Leben tritt. Die Perspektivlosigkeit ist nahezu erdrückend für den Leser. Man sieht den Bäcker vor sich und von Schirach schafft es, dass man zwar die Tat verurteilt, aber dann doch verstehen kann, wie es dazu kam. Das macht es nicht legitim, nur verständlicher. Mit Seybold ist ein korrekter Richter beschrieben, dem der Sinn nach der Pensionierung einfach abhanden gekommen ist. Stets ein korrektes Leben, stets an Regeln orientiert, ohne auszubrechen und etwas zu wagen. Seybold ist das Abbild des Stinos, dessen Leben plötzlich keinen Zweck mehr zu erfüllen scheint. Diese Leere, in die er stürzt, wird gut beschrieben und man fragt sich, was hierbei der markante Wandel sein wird. Ist man überrascht? Denkt man an manche anderen Personen, von denen man ähnliches gelesen hat? Vielleicht. Die Titelgeschichte behandelt ein ganzes Leben und könnte verstörender und trauriger nicht sein. Sie handelt von Dekadenz, Moral und Liebesentzug. Was hier schwelt, brodelt bis es ausbricht und wird dabei an wenigen, dafür sehr markanten Punkten und Ereignissen festgemacht. Am Ende bekommt man doch feuchte Augen ob der Kaltherzigkeit. Doch auch hier wird keine Partei ergriffen. Wie so oft, richtet von Schirach nicht, sondern stellt drei Leben dar und lässt den Leser am Ende alleine zurück. Du kennst die Fakten, entscheide selbst, scheint er zu sagen. Da hinterfragt man seine eigene Moral, richtet über Schuld und Unschuld, vielleicht wird einem manchmal auch deutlich vor Augen geführt, wie schwer Rechtsprechung sein kann. Im Klappentext steht, dass der Spiegel den Autor als "großartigen Erzähler" betitelt hat und dem kann ich mich nur anschließen. Mit direkten Worten, emotionslos und doch berührend erzählt von Schirach Geschichten aus dem Leben, von nebenan.

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