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Rezension zu
Das verborgene Leben des Waldes

Rezension

Von: KRAUTJUNKER
09.12.2017

Inspiriert von einem buddhistischen Mandala, dem aus farbigem Sand geformten kreisrunden Schaubild, welches die Flüchtigkeit und Vielfalt des Lebens symbolisiert, betrachtet der Biologie-Professor David Haskell ein Jahr lang einen Quadratmeter Bergwald in Tennessee. Sein Ziel: Durch dieses kleine Fenster aus Erde und Laub, Felsen und Wasser, den ganzen Wald im Wandel der Jahreszeiten zu sehen und zu verstehen. Um Störungen zu vermeiden, verhält sich Haskell bei seinen Beobachtungen so ruhig, dass größere Wildtiere nahezu über ihn stolpern und er kleineren gar nicht erst auffällt. Er untersucht den Boden mit der Lupe und arbeitete sich vom Wurzelwerk über alle Vegetationsschichten bis zu dem von Vögeln belebten Himmel hinauf. Was er dabei im Laufe der Jahreszeiten beobachtet, beschreibt er in einer faszinierenden Mischung aus persönlichem Erfahrungsberichten sowie Reflektionen, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. In jedem der zwölf Monate gibt es drei bis vier Tagebucheinträge bzw. Kapitel mit jeweils vier bis zehn Seiten erstaunlicher Gedankenfülle. Der Leser befindet sich in einem Sog der Erkenntnisse, die Herz und Hirn gleichermaßen in das Buch ziehen. »30. Januar: Die kahlen Büsche und Bäume sind nicht bloß Gerippe, auch wenn es so aussieht. Zweige und Stämme sind von lebendem Gewebe umhüllt. […] dass Pflanzen nach der vollständigen Kapitulation wiederauferstehen, ist so weit von jeder menschlichen Vorstellung entfernt, dass es beinah unanständig scheint. Nach dem Tod, noch dazu dem Erfrierungstod, dürfte es keine Wiederkehr mehr geben. Doch sie kehren wieder. Pflanzen überleben ähnlich wie Schwertschlucker: durch sorgfältige Vorbereitung und höchste Vorsicht vor scharfen Kanten. […] Doch wenn aus Kälte Frost wird, fangen die Probleme an: Die wachsenden Eiskristalle zerstechen, zerreißen und zerstören die zarte innere Zellarchitektur. Im Winter müssen Pflanzen Zehntausende von Schwertern schlucken und ständig aufpassen, dass keins ihrer verletzlichen Seele zu nah kommt.« »14. April: Ein Nachtfalter schiebt seine gelblich-braunen Füße über meine Haut, ertastet sie mit Tausenden chemischer Sensoren. Sechs Zungen! Mit jedem Schritt bricht sich eine neue Empfindung Bahn. Wenn der Falter über eine Hand oder ein Blatt läuft, muss es so sein, als schwömme man durch Wein – mit offenem Mund. Mein Jahrgang scheint dem Nachtfalter zuzusagen, sein Saugrüssel entfaltet sich, entrollt sich zwischen zwei leuchtend grünen Augen.« Dieses Buch über die Naherfahrung Wald ist mehr als nur eine unterhaltsam verpackte Weiterbildung in Sachen Biologie. Es ist eine Untersuchung darüber, was das Leben zusammenhält und uns ernährt. Es ist ein leidenschaftliches Plädoyer dafür, das Wunderbare in den alltäglichen Erscheinungsformen des Lebens anzuerkennen und achtsam mit ihnen umzugehen. Schon alleine als Selbstnutzen, denn: »Auch wir sind Tiere, Primaten, die in einem komplexen ökologischen und evolutionären Kontext leben. Unsere Ökologie offenbart sich in unseren Wünschen, wenn wir uns heftig für Früchte, Fleisch, Zucker oder Salz interessieren oder von sozialen Hierarchien, Familienclans und Netzwerken geradezu besessen sind, wenn wir uns für menschliche Schönheit, für Haut, Haar und Körperformen begeistern oder wenn wir unentwegt intellektuell neugierig oder ehrgeizig sind. In jedem von uns wohnt ein geschichtenumwobenes Mandala, das genauso komplex und vielschichtig ist wie der Urwald. Und was noch besser ist: Uns oder die Welt zu beobachten ist kein Gegensatz. Durch die Beobachtungen des Waldes habe ich auch gelernt, mich selbst klarer zu sehen.« Aufgrund seiner herausragenden Qualitäten wurde Das verborgene Leben des Waldes in alle wichtigen Sprachen übersetzt. Der Autor gewann für sein Werk 2013 den National Academies Communication Award sowie den Reed Environmental Writing Award. Weiterhin war er im gleichen Jahr Finalist des Pulitzer Preises. Da Haskell das Buch als Hohelied des Waldes betrachtet, spendet er mindestens die Hälfte seiner Autoreneinnahmen für Projekte zum Schutz des Waldes. Aber natürlich hat die Lektüre auch einen Haken. Die flammende Begeisterung Hasekells ist so ansteckend, dass man gerne sein Feuer weitertragen will. Doch wenn man im privatem oder beruflichen Rahmen mit eigenen Worten erklärt, dass man einen fantastischen Wald an einer hohen Baumleichendichte erkennt, anfängt von Urzeit-Mikroben in Hirschpansen zu schwärmen oder das stürmische Leben des grimmigen Räubers Spitzmaus preist, so schaut man in verständnislose Gesichter. Die einsame Perverslinge sowie alle Teenager unter meinen Lesern, kennen diese irritierten Blicke, wenn sie von ihren dunklen Leidenschaften sprechen. Hierfür gibt es nur eine Lösung: Immer wieder lesen, bis der Stoff sitzt.

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