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Rezension zu
Justizpalast

Griffig, kantig, intensiv, emotional dicht und hervorragend geschrieben

Von: Michael Lehmann-Pape
03.11.2017

Schon die ersten Sätze nehmen den Leser umgehend in die Geschichte gefangen. Eine Geschichte, die sich um das Rechtswesen“ dreht, um dessen Protagonisten, aber auch um deren Umfeld. Die im Gerichtsgebäude auch spielt, aber dazu nimmt das Buch erst einmal ausführlich und ganz hervorragend im Timing seinen Anlauf. Denn am Wichtigsten, zentral, für diesen Roman sind die Figuren Jede der Figuren, Die Morsbach lebendig, abwechslungsreich, packend sowohl analytisch wie emotional für den Leser fast real werden lässt, statt in den Buchstaben eines Romans zu erstarren. Der Großvater, ehemaliger Richter, nach dem Krieg „zu spät gekommen“, irgendwo wesensverwandt untergekommen und, wie so viele im Buch, eine starke Szene, als Anspruch und Wirklichkeit aufeinandertreffen, als klar wird, dass da zwar einer „nie gegen das Recht verstoßen hat“ (hätte er mal besser zu Zeiten des dritten Reiches), aber wenig „Gerechtigkeit“ im Herzten trägt. „Dr. Wilhelm Kargus nun hatte für die Karriere seine Prinzipien verraten, ohne es zu merken. Er wusste nicht einmal, dass er nicht gerecht war“. Und das ist schon eine Kunst, das nicht zu wissen, wenn man mit der Axt „ungerecht“ eine Hütte zu Kleinholz verarbeitet“. Die Mutter, auf gutem Wege, gar nicht die die Jurisprudenz weiterverfolgt, denn Carlos Zorniger kam dazwischen. Und wie der dazwischenkam. Und wie der kantig, grob, fein, charismatisch, intensiv, distanziert von Morsbach ins Leben gerufen wird. Wie herzergreifend seine, unbewussten, verletzten Worte die kleine Tochter treffen, dass ist mitreißend geschrieben und löst die Distanz zwischen Leser und Werk treffend auf. Was alles in Thirzas Kopf zunächst und aus ihren Erinnerungen heraus dem Leser nahegebracht wird. Thirza, die Tochter einer dann verbitterten Mutter, eines abwesenden, egomanischen Vaters und eines frustrierten und dennoch ständig „Haltung vorführenden“ Großvaters. Die nun auch Richterin werden will. Aus all dem an Prägungen heraus, auch das baut Morsbach zwingend im Charakter der Thirza auf, Wie sie alle Personen unaufdringlich in ihrem „Sein“ erläutert. Die Tanten, die Mutter, die Großmutter, den Vater, Großvater, die Halbschwester und dutzende andere Figuren, die mal im flüssig verfassten Rückblick, oder in kantigen, fast assoziativ wirkenden Aufzählungen oder auch, dass vor allem, in ihrem Agieren dem Leser ihre inneren Haltungen emotional vermitteln. Eine Melange, die von allen Seiten ebenso zwingend in die Justiz führt. Die zerstörte, kaputte „Heimatfamilie“, die den Wunsch nach „etwas wieder zusammenfügen“ ebenso entstehen lässt, wie der „erfolgreiche“ Teil der mütterlichen Familie, in denen Juristen seit Generationen auf die ein oder andere Weise diesem „Handwerk“ nachgehen, was bei Thirza weitgehend zu Distanz und einem „es besser machen wollen“ führt. Aber ebensolche Menschen, wie sie als Kind kennenlernte, werden sie ihr gesamtes Berufsleben als Juristin „im System“ begleiten. Wie das an ihr etwas verändern? Wird sie manche heikle Situation und manche schmierigen Menschen Herr(in) werden könnten? Denn alles, was an „Typen“ in der Rechtsprechung zu finden ist, führt Morsbach mit klarem Blick für die Eigenarten der Persönlichkeiten und mit ebenso klarer und flüssiger Sprache hervorragend vor Augen. Eine sehr empfehlenswerte Lektüre.

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