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Rezension zu
Die Goldene Legende

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Gegen Fanatismus

Von: letteratura
21.10.2017

Nadeem Aslams neuester Roman „Die goldene Legende“ ist vor allem eins: ein trauriger Roman. Ich las vor einigen Jahren Aslams „Der Garten des Blinden“, ein Buch, dass in einer recht blumigen Sprache und sehr metaphernreich die Geschichte einiger Menschen in Pakistan und Afghanistan nach den Anschlägen vom 11. September beschreibt, Menschen zwischen Fanatismus und Aufgeklärtheit, in einer aufgeheizten Stimmung, in der zwangsläufig einige zwischen die Fronten geraten. Seinem Thema bleibt Aslam in seinem neuem Roman treu: Wieder stehen sich radikale und gemäßigte Religiöse gegenüber, wobei diesmal auch die christliche Minderheit eine große Rolle spielt. „Die goldene Legende“ ist nicht ganz so harte Kost wie der Vorgängerroman, dessen Lektüre ich als schmerzhaft in Erinnerung habe. Aber es ist eine traurige Geschichte, traurig und doch schön. Hauptfiguren sind Nargis, die ganz zu Beginn der Geschichte ihren geliebten Ehemann Massud verliert und ihre junge Nachbarin Helen, Tochter eines christlichen Ehepaars. Helen ist Halbwaise, ihre Mutter Grace starb durch die Hand eines Muslims, doch da Grace Christin war, zählt diese Tat weniger als wenn sie eine Muslima gewesen wäre – wenn auch nicht offiziell. Helens Vater Lily ist ein Rikschafahrer. Er, Helen und Grace wurden ihr Leben lang schlecht behandelt: Als Angehörige der christlichen Minderheit in Pakistan galten sie als unrein und sowieso als Ungläubige. Nargis und Massud aber waren ihnen stets freundschaftlich verbunden. Aslam erzählt in seinem Roman die ineinander verschlungenen Geschichten seiner Figuren: So trägt Nargis ein Geheimnis mit sich herum, das sie seit vielen Jahren mit Massud teilen wollte, bis es nun zu spät dafür ist. Seit einiger Zeit verrät ein Unbekannter vom Dach der nahe gelegenen Moschee aus Geheimnisse der Menschen aus dem Viertel, was oft weitreichende und gefährliche Konsequenzen für sie hat. Nargis befürchtet, dass auch ihr so gut gehütetes Geheimnis bald öffentlich verkündet werden könnte. Gleichzeitig sieht sie sich mit verschiedenen Interessen konfrontiert, nachdem Massud zu Beginn des Romans in einer Schießerei von einem amerikanischen Diplomat getötet wird: Sie soll ihm verzeihen, so versucht man sie zu zwingen, auf diese Weise könne er in die USA zurückgehen, im Gegenzug verspricht man sich gewisse Zugeständnisse von amerikanischer Seite. Auf höherer Ebene, versteht sich. Das Gesetz Allahs, die Scharia, stehe über dem Gesetz der Menschen: Wenn also Nargis und die Hinterbliebenen der anderen Opfer des Amerikaners ihm verzeihen, wird dieser sich keinem Prozess unterziehen müssen und sich auf andere Weise erkenntlich zeigen. Gleichzeitig spitzt sich die Situation zu, als der Unbekannte etwas über Helens Vater Lily preisgibt und beide nicht mehr sicher sind. Hier kommt dann der junge Imran ins Spiel, der einst in Kaschmir gekämpft hat, sich dann aber von seinen Mitstreitern losgesagt hat und nach Pakistan floh. Nadeem Aslam gelingt es ganz wunderbar, seine verschachtelte Geschichte behutsam vor dem Leser auszubreiten, er nimmt sich Zeit dafür, sie Gestalt werden zu lassen, so dass man als Leser langsam eintaucht in diese raue, gefährliche Welt, in der sich seine Figuren bewegen. Dabei sind diese Figuren eindeutig so angelegt, dass man sich als Leser mit ihnen identifizieren soll, sie verkörpern allesamt die Vernunft und ein bisschen auch eine Gelassenheit gegenüber all dem Schlimmen, dem sie ausgesetzt sind. Ein Glaube an das Gute? Fatalismus? Wer weiß. Vielleicht sind sie so teilweise ein wenig einseitig geraten, vielleicht kann man sie in ihrem Mut und ihrer Furchtlosigkeit aber auch als das Ideal verstehen, das gegenüber all dem Fanatismus und der Gewalt vonnöten wäre, wollte man versuchen, beidem die Stirn zu bieten. Nargis, Helen und Imran verkörpern ein Stück Hoffnung, ohne die „Die goldene Legende“ nicht nur traurig, sondern niederschmetternd wäre. Aslam zeigt ein differenziertes Bild des Islam. „Die goldene Legende“ ist zu keiner Zeit ein Buch, das sich gegen Religionen positioniert, es ist jedoch stets ein Roman, der sich gegen jede Form von Fanatismus, von Ausgrenzung und Intoleranz stellt. Dabei fehlt ihm jeder dozierende Anstrich, vielmehr zeigt Aslam schlicht und einfach, wie es ist oder sein könnte und was passieren könnte, wenn die Entwicklung auf diesem Weg weitergeht. Die Sprache des Autors ist weniger blumig, als es in „Der Garten des Blinden“ der Fall war, aber auch hier finden sich wohldosiert Metaphern und Bilder, die der Geschichte in all ihrer Trauer Schönheit verleihen, vielleicht sogar ein bisschen Hoffnung. So lässt sich „Die goldene Legende“ auch als Plädoyer für Toleranz und Offenheit lesen.

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