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Rezension zu
Erben des Holocaust

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Erinnerungsliteratur

Von: Tanja Hammer
02.10.2017

Im Februar 2017 erschien im Gütersloher Verlagshaus eine Anthologie über Erfahrungen von Kindern, deren Familien den Holocaust überlebten. Die Kinder erinnern heute, als Erwachsene, die Erinnerungen der Eltern an Flucht, Vertreibung und Konzentrationslager. Andrea von Treuenfeld bat bekannte Persönlichkeiten, diese Herausforderungen und dieses Unsagbare Thema zu erinnern. Kein anderes historisches Ereignis prägte die deutsche Geschichte und Familiengeschichte des 20. Jahrhundert nachdrücklicher, als der Zweite Weltkrieg und sein Ende. Dramatische und traumatische Erfahrungen vom Kriegserleben, Hunger, der Trümmerzeit und faschistischer Diktatur generierten Erinnerungen aus Erfahrungen, die der Gegenwartsgesellschaft (glücklicherweise) fremd sind. Unsagbares erlebten die Eltern der Autoren dieses Buches. Marcel Reif, Nina Ruge, Ilja Richter und andere bekannte Personen erinnern Erfahrungen, die die Eltern gemacht haben, den Umgang der Elterngeneration mit dem Unsäglichen. Die individuelle Erinnerung Einzelner steht hier im Fokus. Nun gibt es unterschiedliche Formen des Erinnerns. Sprachliches Erinnern funktioniert, in dem Erzählungen von Erinnerungen wieder und wieder erzählt werden. Erinnert wird die Erzählung der Erinnerung. Menschen brauchen den Austausch über Erinnerungen, um sich überhaupt erinnern zu können. Es besteht jedoch die Gefahr, dass durch die Erzählung nicht mehr die Wirklichkeit erinnerbar ist, sondern nur noch die Worte, mir der die Erinnerung formuliert wurde. Die Erzählung wird zur „neuen“ Erinnerung. Man muss hoffen, dass durch die Vielzahl der Erinnerung kein Gewöhnungseffekt beim Leser einsetzt, kein abschleifen des Tragischen passiert und schon gar nicht Unterhaltung aus Kriegserinnerungen wird. Hier ist die Gefahr besonders groß, da die Erzähler bekannte und berühmte Persönlichkeiten sind. Es ist beim Lesen daher eine große Verantwortung, zwischen dem Schauspieler Ilja Richter und seiner in Worte gefassten (Kindheits-)Erinnerung zu differenzieren. Der große Mehrwert dieses Buches ist, dass es versucht, das lückenhafte Gedächtnis durch den Versuch zu schließen, vorhandene und als bekannt vorauszusetzende Zeitdokumente mit Erzählungen zu verbinden. Uwe Timm gelang dies mit dem gleichen Konzept vor einigen Jahren mit seinem „Am Beispiel meines Bruders“. Gut ist, dass die Erinnerungen nun nicht mehr so leicht verblassen können, da sie versprachlicht wurden. In diesem Buch wird allein durch die bekannten Namen ein möglicherweise breiteres Publikum angesprochen, dass vielleicht nicht grundsätzlich an Erinnerungsliteratur interessiert ist. Eine schwieriges Thema, niemals schön zu lesen und doch im Grund nicht verzichtbar.

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