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Rezension zu
Flucht

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Flucht

Von: Feyza Basharan
30.09.2017

Hakan Günday – Flucht Hakan Günday zu lesen ist ein masochistisches Unterfangen.. aber man muss einfach, es geht nicht anders, es packt und reißt einen mit auch wenns dabei weh tut.  Schon durch den ersten Satz im Buch wird man reingezogen. Er lautet: „Wäre mein Vater kein Mörder gewesen, hätte ich nie das Licht der Welt erblickt.“ Das muss man erst einmal sacken lassen.. Das zeigt schon eindeutig, dass dieses Buch keine leichte Kost sein wird und genau dafür kennt man diesen Autor. Vor allem in der Türkei genießt er sehr großes Ansehen in Literaturkreisen. Letztendlich sind seine Texte provokant, mutig, scheuen vor nichts zurück und dennoch fühlt man sich nicht vor den Kopf gestoßen, obwohl sie zumeist politischer Natur sind. Nicht was Günday schreibt ist „normal“, es ist außergewöhnlich und ich kann mir vorstellen, nicht für jedermann. Hakan Günday, geboren 1976, studierte Französisch in der Türkei und in Brüssel, anschließend Politikwissenschaften in Ankara. Diplomatensohn, Bestsellerautor, Drehbuchautor, Provokateur, Enfant terrible der jungen türkischen Literatur. Seine Romane sind gleichermaßen Bestseller wie Kultbücher. Seine vielen Fans feiern ihn für seine politischen Kolumnen, seine öffentlichen Debatten und dafür, dass alles, was er tut, aus dem Rahmen fällt. Hakan Gündays „Daha“ (Flucht) wurde 2016 ins Deutsche übersetzt und erzählt aus der Perspektive von Gazâ, der als Sohn eines Schleusers und Menschenhändlers aufwächst. Der intelligente Junge wird zunächst ungewollt und später ohne weitere Wahl der Gehilfe seines despotischen Vaters. Hunderte von Flüchtlingen werden an einen fiktiven Ort an der Ägäisküste zugeführt und weitergeleitet. Im „Depot“ dem Auffanglager der beiden Schleuser, können wir genau beobachten wie Gaza von einem eher schüchternen Jungen zum Herrn der Illegalen wird, mit ihren Menschenversuche anstellt und letztendlich zum Mörder wird. (O-Ton: Günday)  "It‘s a turkish name which means holy war. And I wanted that this little kids name means war. Because I wanted to tell at first to warn the reader in fact and myself as well that from the soul of this kid will go out, will get out deads and wounded like a war. " (Übersetzung)  "Gaza ist ein türkischer Name und meint heiliger Krieg. Und ich wollte, dass dieses kleine Kind Krieg bedeutet. Weil ich von Beginn an den Leser und auch mich warnen wollte und mitteilen, dass von dieser Seele eines Kindes Tote und Verwundete wie in einem Krieg ausgehen." Gazâ lernt schon sehr früh, den Menschen als „Ware“ zu sehen. Es ist reines Geschäft, nicht mehr und nicht weniger. Sie verdienen sich damit ihren Lebensunterhalt.. wenn auch auf brutale und abnorme Weise. Die Frage ist, ob er seine Menschlichkeit wirklich verliert oder ob es als Schutz vor seinem Vater gesehen werden kann? Nachdem der Vater stirbt, beginnt sich Gazâ's Leben zu verändern, ihm gelingt die Flucht nach Istanbul und damit auch ein Studium, aber kann man das ganze Erlebte wirklich einfach so abstreifen, als wäre nichts passiert? Er stellt fest, dass es doch nicht so einfach ist und dass seine Erfahrungen tiefe Wunden hinterlassen haben. Wird er dieses Traumata wirklich jemals überwinden können? (O-Ton: Günday)  "And when he realizes in that costume of the monster – for all his life starts a fight against the fact that he is a monster. So he tries to take it off that costume. But it’s a huge trauma that he tries to struggle with. And he uses education to fight against. He uses drugs. He uses whenever his imagination give him as a possibility of rescue. But then he understands that the only door for escaping that reality is empathy." (Übersetzung)  "Und als er sich in diesem Kostüm als Monster begreift – beginnt er einen Kampf gegen die Tatsache, ein Monster zu sein. Er versucht, dieses Kostüm abzustreifen. Aber er hat mit einem ungeheuren Trauma zu kämpfen. Und er probiert es mit Bildung, um dagegen anzukommen. Er nimmt Drogen. Er gebraucht seine Phantasie, um sich zu befreien. Und dann begreift er, dass der einzige Weg, dieser Realität zu entkommen, Empathie ist." „Flucht“ endet genauso erschütternt, düster, wie er begonnen hat. Hakan Günday schafft es auch hier wieder ein Blick in die Abgründe der Menschen zu werfen und uns mit reinzuziehen, sodass wir nicht wegsehen können. Er schafft Literatur die wie mit einer Axt den Eisblock in uns zerstört, so hätte es Kafka zumindest gesagt. (O-Ton: Günday)  "Unfortunately the world right now is completely rained by violence. We are rained by violence. That we forgot the definition of violence. Today we think that violence is killing a hundred person with a bomb. And that’s it. We forgot that for example lying is violence. We forgot that the pressure on somebody else just by words is violence. To try to change his life, the way he looks, is a violence. We forgot them all." (Übersetzung)  "Unglücklicherweise ist die Welt gerade jetzt überflutet von Gewalt. Wir sind so überflutet von Gewalt, dass wir die Definition von Gewalt vergessen haben. Heute denken wir, Gewalt meint das Töten von ein paar hundert Menschen mit einer Bombe. Wir vergessen, dass zum Beispiel auch Lügen eine Form von Gewalt ist. Wir vergessen, dass es auch Gewalt ist, auf jemand allein mit Worten Druck auszuüben. Jemanden zu zwingen, sein Leben zu ändern, sein Aussehen zu wandeln, ist Gewalt. All das vergessen wir." FAZIT: Dieser Roman ist brandaktuell und wird es in scheinbar künftiger Zeit noch bleiben, dieser Roman macht einen fertig, er ist aber auch poetisch und regt definitiv zum nachdenken und überdenken an. Eine absolute Leseempfehlung Liebe Grüße Feyza

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