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Rezension zu
Justizpalast

Richterleben

Von: letteratura
24.09.2017

Jeder, der schon einmal eine Anwaltsserie verfolgt oder einen entsprechenden Film gesehen hat, weiß: Recht und Gerechtigkeit sind zwei Paar Schuhe. Zwar ist die „gute“ Seite dort meist auch die, die im Zuschauerempfinden im Recht ist und die die meisten Fälle gewinnt (oder den Fall, wenn es nur einen gibt), dennoch geht es um noch viel mehr als den Sieg der Gerechtigkeit: zum Beispiel darum, wer den besseren, klügeren, vielleicht gerisseneren Anwalt hat. Keinesfalls kann man sich in der Gewissheit zurücklehnen, dass die Gerechtigkeit siegen werde, und am Ende der Geschichte hat man gelernt, dass es um Gerechtigkeit eigentlich nur am Rande geht. Für Thirza Zorniger, Protagonistin in Petra Morsbachs neuestem Roman „Justizpalast“, ist es dennoch das Streben nach Gerechtigkeit, das sie antreibt, als sie sich für die Juristenlaufbahn entscheidet. Auch viele Jahre später, als sie längst eine angesehene und routinierte Richterin am Justizpalast in München ist, hat sie noch den gleichen Anspruch an sich und somit an die Gerechtigkeit, die in ihrem Gerichtssaal walten soll, auch wenn sie längst gelernt hat, dass dies nicht immer möglich ist. Thirza stammt aus einer unglücklichen Ehe. Eigentlich wollte schon ihre Mutter Richterin werden, heiratete aber stattdessen Thirzas Vater, was ihren Plänen ein Ende setzte. Die Ehe war nicht von Dauer und Thirza wuchs bei ihren Großeltern und Großtanten auf. Ehrgeizig und zielstrebig nimmt sie nach und nach alle Stufen der Karriereleiter bis ins Richteramt. „Justizpalast“ ist im Großen und Ganzen die Lebensgeschichte seiner Heldin, wobei im Roman einzelne Fallschilderungen viel Raum einnehmen. Einerseits kann man hier viel Neues erfahren und über die Justiz lernen, andererseits sind die Prozesse, die wieder gegeben werden teilweise recht grotesk. Vieles hat sich vermutlich in ähnlicher Weise (wahrscheinlich abgewandelt) zugetragen: Petra Morsbach hat für ihren Roman neun Jahre recherchiert und mit insgesamt um die 50 Juristen über ihre Arbeit gesprochen. Man sollte also für die Lektüre des Romans in jedem Fall ein gewisses Interesse für das Themengebiet mitbringen. Die meisten Fälle sind interessant – erschütternd empfand ich, meine Vermutung bestätigt zu bekommen, was Erbstreitereien angeht, wie sich Familien zuweilen völlig überwerfen, weil die eine Partei sich von der anderen hintergangen fühlt. Ebenso interessant sind dann die Ausführungen dazu, auf welche Weise in den einzelnen Fällen entschieden wird und warum. Manchmal wird es des Juristendeutschs aber auch etwas zu viel und nicht immer ist alles gleich verständlich. Die Geschichte um Thirza bleibt dabei ab und zu ein wenig auf der Strecke. Zwar fügen sich die Fallbeschreibungen stets gut in die Handlung ein, dennoch unterbrechen sie sie. So wird zwar deutlich, wie das Richteramt Thirzas Persönlichkeit ausmacht, trotzdem hätte ich manchmal gern weiter über Thirzas Leben jenseits des Justizpalasts gelesen, zumal Morsbach mit ihr eine interessante, lebendige Figur geschaffen hat, die man gern auf ihrem Weg begleitet. Sehr gut gefallen hat mir der Stil Morsbachs. Sie lässt ihre Erzählerin das Geschehen nicht nur wiedergeben, sondern von Zeit zu Zeit auch sehr pointiert kommentieren, oft mit einem Augenzwinkern oder leiser Ironie, sie trifft oft mit wenigen Worten ins Schwarze. Wenn Thirza dann plötzlich selbst die Erzählung – meist nur ganz kurz – übernimmt, dann ist man wirklich ganz nah dran. So entsteht nach und nach ein deutliches Bild dieser Frau, deren Beruf für sie an erster Stelle steht – stehen muss, denn das Richteramt ist ganz offenbar harte und zeitintensive Arbeit. Morsbach lässt sie aber auch privat, ebenfalls im beruflichen Umfeld, ihr Glück finden. „Justizpalast“ gibt spannende Einblicke in die Juristerei, erzählt unaufgeregt über seine Heldin und ihr Leben und ist über weite Strecken dabei unterhaltsam und lehrreich. Wer sich für das Thema interessiert, sollte dem Buch eine Chance geben.

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