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Rezension zu
Hexensaat

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Shakespeare Again

Von: Niamh O'Connor
18.09.2017

The Tempest (Der Sturm) gehört nicht zu den Theaterstücken William Shakespeares, deren Handlung jeder kennt, aber in Hag-Seed (Deutsch: Hexen-Saat), Margaret Atwoods Romanversion des Stücks für das Hogarth Shakespeare Project, wird uns diese Handlung gleich in zweifacher Weise näher gebracht: sie dient als Vorlage für den Roman und sie begegnet uns als das Theaterstück, an dessen Inszenierung die handelnden Personen freiwillig und weniger freiwillig mitwirken. Die kanadische Autorin erzählt die Geschichte von Theatermann Felix Phillips. Schwer angeschlagen vom Verlust seiner Frau und seiner dreijährigen Tochter war er mitten in den Vorbereitungen zu einem seiner Geniestreiche, einer modernen Inszenierung von Der Sturm, als ihm sein zuvor immer eifrig kooperativer Assistent Tony Price eröffnete, dass er als künstlerischer Leiter des von ihm gegründeten Theaterfestivals gefeuert und Tony selbst sein Nachfolger sei. 12 Jahre später ist Anthony Price Kulturminister und Felix Phillips unter falschem Namen Leiter einer Theatergruppe eines Gefängnisses in der Nähe von Toronto. Zur nächsten Aufführung hat sich nun der Minister als Gast angekündigt. Der Augenblick der Rache ist gekommen. Margaret Atwood erzählt die Geschichte in der dritten Person, aber weitgehend aus Felix‘ Perspektive. Felix liebt das Theater, dem er alles andere unterordnet, er liebt seine Tochter Miranda, die er in den letzten 12 Jahren an seiner Seite hat aufwachsen sehen, obwohl sie als Dreijährige an einer zu spät behandelten Gehirnhautentzündung gestorben ist, und er liebt sich selbst als den großen Theatermann. Sein Agieren und seine Gedankengänge bei der Vorbereitung und Durchführung seines Plans lassen erkennen, dass er sich immer noch für einen genialen Regisseur hält, einen, der genau weiß, was er will, der in der Lage ist, Menschen zu motivieren und zu lenken und sie so zu perfekten Mitwirkenden in seiner nun endlich umgesetzten Inszenierung zu machen. „Das Theater ist keine Republik“, sagt Felix, „es ist eine Monarchie. Und ich bin der König.“ Natürlich lässt sich die Frage stellen, wie glaubhaft es ist, dass eine Gruppe Gefängnisinsassen Felix‘ Racheplan widerspruchslos und weitgehend fehlerfrei umsetzt, aber von dieser Einschränkung abgesehen sind die Charaktere und auch die Geschehnisse ebenso wie die Rahmenbedingungen, die Felix im Gefängnis vorfindet, durchaus realistisch gezeichnet, in einer nüchternen, präzisen und knappen Sprache, so, als wäre es ein Bericht von einer militärischen Operation. Dadurch bleibt der nicht ganz unkomplizierte Plan verständlich, ohne dadurch vorhersehbar zu werden. Als Zuschauerin aus den Kulissen war ich von der Aufführung streckenweise genauso überrascht wie der Minister und seine Begleiter, streckenweise habe ich, zumindest vorausahnend, was da jetzt kommt, schon im Vorhinein vor Vergnügen und Schadenfreude gegrinst, und nach Ende der Vorstellung konnte ich dem Regisseur und seiner Truppe vorbehaltlos applaudieren. Die Illusion ist gelungen, die Magie des Stücks hat auch 400 Jahre nach Shakespeare noch gewirkt.

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