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Rezension zu
Kleine Hände – großer Profit

Ein sehr gutes Buch

Von: Aenna
17.08.2017

Verlag: Heyne, 2017 Preis: 9,99 € (ebook), 12,99 € (Paperback) Seitenzahl: 224 ISBN: 978-3-453-60440-7 Inhalt: Benjamin Pütter engagiert sich sowohl beruflich als auch privat gegen Kinderarbeit. Das macht er schon seit Jahrzehnten. Dafür reist er regelmäßig nach Indien, wo er bei der Befreiung von Kindersklaven mithilft, mit Journalisten Dokumentationen dreht und die einzelnen Unternehmen sowie die Arbeitsplätze und Schulen der Kinder kontrolliert. In diesem Buch berichtet er von den verschiedenen Formen der Kinderarbeit, von den negativen und positiven Entwicklungen und vor allem von den zahlreichen Möglichkeiten, wie jeder Einzelne gegen die grausame Ausbeutung vorgehen kann. Meine Meinung: Woran denkst Du, wenn Dich jemand auf Kinderarbeit anspricht, die unsere Waren günstiger macht? Daran, dass es so etwas angeblich gar nicht (mehr) gibt? An billige Kleidung? An Kinder, die ihren armen Eltern nach der Schule bei der Arbeit helfen? Ich dachte (jedenfalls vor der Lektüre dieses Buches) vorrangig an Fußbälle. Als ich noch zur Schule ging, kam ein Mann in den Unterricht und hat uns gezeigt, wie Kinder diese stundenlang zusammennähen müssen. Allein der Gedanke war und ist furchtbar. Aber irgendwie geriet das Thema damals doch recht schnell wieder in Vergessenheit - schon allein, weil ich noch nie einen Fußball gekauft habe. Andererseits weiß ich aber auch, dass ähnliche Probleme bei der Herstellung von Kleidung bestehen. Dabei werden (wie Du vermutlich weißt) nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene ausgebeutet und sehr schlecht behandelt. Das Problem: Was wird denn wirklich fair hergestellt? Was soll ich kaufen? Auf welche Informationen kann ich mich verlassen? Ihr fragt euch jetzt vielleicht, was dieser Vorspann soll. Worauf ich hinaus will ist eigentlich ganz einfach: Jeder weiß, dass es Kinderarbeit und grottenschlechte Arbeitsbedingungen gibt, aber kaum einer steigt so richtig durch. Das Gewissen lässt sich dadurch bereinigen, dass ja alle die so hergestellten Produkte kaufen und dass es keine Alternativen zu geben scheint. Noch "einfacher" ist es natürlich, wenn man gar nichts von der Kinderarbeit in einem konkreten Produkt weiß: Ich war mir nicht einmal Bewusst, dass Kinder im Steinbruch eingesetzt werden. Teilweise wachsen sie dort auf, ohne jemals eine Schule, einen Spielplatz oder Freiheit zu sehen. Ihre Lebenserwartung beträgt häufig nur knappe 30 Jahre, weil ihr ganzer Körper durch die schwere Arbeit beschädigt wird. In Deutschland sind viele Hochschulabsolventen bei ihrem Berufseinstieg erst 30 Jahre alt. Ich hatte auch keine Ahnung, dass Schlepper indische Kinder massenweise entführen und zur Arbeit an Knüpfstühlen zwingen - von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Teilweise sogar noch länger, wenn sie in Häusern mit elektrischem Lich arbeiten. Die Kinder beginnen diese Tätigkeiten oftmals im 5. Lebensjahr. Genau bei dieser Unwissenheit setzt das Buch an. Zunächst einmal informiert es über die schlimmsten "Arbeitsplätze" für Kinder in Indien. Danach erklärt Benjamin Pütter die Ursachen. Er geht auch auf Gegenmaßnahmen und die Möglichkeiten zu helfen ein. Wie ich schon geschrieben habe, wusste ich bis gestern Morgen kaum etwas über das Thema. Ich hatte zwar schon mal gehört, dass Teppiche von Kindern geknüpft werden, aber mir ehrlich gesagt, kaum Gedanken darüber gemacht, weil ich keine Ahnung hatte, wie groß der deutsche Markt für solche Teppiche ist. Durch meine bisherige Unwissenheit kann ich natürlich nicht sicher sagen, ob alles in dem Buch der Wahrheit entspricht oder ob irgendwelche Stellen zu subjektiv sind. Es wirkt jedoch so, als hätte der Autor ein sehr breites Wissen, viel Erfahrung und eine gute Übersicht. Seine Ausführungen sind sachlich. Er versteckt sich nicht hinter allgemeinen und schwammigen Behauptungen, sondern nennt Namen, konkrete Zahlen und den Hintergrund seiner Recherchen. Er prangert bestimmte Personenkreise an, aber im großen und ganzen versucht er vor allem zu sensibilisieren und zum Umdenken zu bewegen. Wichtig scheint ihm vor allem eine Kernaussage zu sein: Wir können nicht ändern, was geschehen ist, aber wir können die Welt dieser Kinder jetzt verbessern. Hier ein paar Beispiele für Menschen, die etwas ändern können: Die Mitglieder der indischen Regierung, entwerfen zwar tolle Gesetze, setzen diese aber nicht (richtig) um. Indische Beamte sehen für ein paar Rupien einfach weg, wenn Kinder entführt, verletzt, missbraucht und ausgebeutet werden. Schlepper "kaufen" Eltern unter falschen Versprechungen die Kinder ab. Teilweise machen sie sich nicht einmal diese Mühe und entführen die billigen Arbeitskräfte einfach aus ihrem Dorf. Eltern überlassen ihre Kinder den Schleppern oder beziehen sie in die eigene Arbeit ein. Die Regierung muss ein besseres Bildungssystem schaffen und eine Schulpflicht durchsetzen, damit nicht die Kinder von den Kindearbeitern ebenso schuften müssen wie ihre Eltern. Das klappt aber nur, wenn Lehrer auch zur Arbeit erscheinen. Mehr Mitgefühl brauchen die indischen Minenbesitzer und andere Unternehmer, die ihr gesamtes Handeln mit dem Kastensystem rechtfertigen. Das gleiche gilt für die deutschen Unternehmen, die selbst eindeutige Beweise noch leugnen. Unsere Regierung und die EU könnten strengere Einfuhrbestimmungen anordnen. Oder gelten Kinder- und Menschnrechte nur für europäische Kinder? Und nicht zuletzt sind auch wir als Verbraucher gefragt. Es gibt verschiedene Siegel, die nachweisen, dass keine Kinderarbeit schuld ist. Sie werden nur nicht genutzt, weil die Menschen nicht informiert sind. Wir können Hilfsprojekte starten, Geld sammeln und natürlich Boykotte unterstützen. Deshalb müssen Journalisten weiter auf das Thema aufmerksam machen. Die Liste der beteiligten Menschen ist an dieser Stelle noch nicht abgeschlossen und trotzdem schon sehr lang. Viele Personen haben mehr oder weniger gute Gründe, warum sie weiter machen wie bisher und sich nicht in der Verantwortung sehen. Ich kann beispielsweise nachvollziehen, dass jemand, der einen Angehörigen beerdigen muss, nicht unbedingt über Kinderarbeit in Steinbrüchen nachdenkt, wenn er einen Grabstein kauft. Andererseits: Jeder Grabstein erzählt schon mindestens eine traurige Geschichte. Sollen auch noch die unzähligen Geschichten der Kinderarbeiter dazukommen, die bei Sprengungen im Steinbruch Körperteile oder sogar ihr Leben verlieren? Geschichten von Kindern, die nie spielen oder lernen dürfen und stattdessen schon vor der Pubertät ihr Gehör verlieren, weil die Maschinen so laut sind? Wenn Du das nicht willst, kannst Du etwas dagegen unternehmen. Genauso wie jeder andere Mensch. Hier liegt die große Stärke des Buches: Der Autor geht auf jede Person in dieser Liste ein. Er macht konkrete Handlungsvorschläge anstatt nur anzuprangern. Er erzählt auch von Menschen, die bereits fantastische Arbeit geleistet haben. Und trotz allem bleiben die Kinder im Mittelpunkt. Benjamin Pütter zählt die Probleme in allgemeinen Zahlen und Fakten auf, vergisst dabei aber nicht, die Kinder selbst sprechen zu lassen. Die Mischung ist perfekt. Ich war vor allem am Anfang entsetzt und den Tränen nahe. Ich weiß, das hilft den Kindern auch nicht. Aber sicher ist, dass ich das Thema so schnell nicht vergessen und mich daran erinnern werde, wenn ich irgendwann mal einen Grabstein oder andere in dem Buch genannte Produkte kaufen muss. Dieses Buch sensibilisiert die Leser und regt zum Nachdenken an. Gleichzeitig lässt es sich auch noch fantastisch lesen, weil das Buch gut gegliedert und präzise geschrieben ist. Davon bin ich wirklich beeindruckt, denn Emotionen und diese Massen an Fakten zusammenzubringen war mit Sicherheit sehr schwierig. Man merkt, dass der Autor und weitere Menschen viel Zeit und Mühe in den Text gesteckt haben. "Kleine Hände - grosser Profit" ist ein wichtiges Buch und ich hoffe, dass es noch viele weitere Menschen lesen werden. Denn wer es gelesen hat, kann nicht mehr sagen: "Ich kann ja doch nichts tuen." oder "Das geht mich nichts an. Das ist schließlich die Angelegenheit von Indien!" Nein, das ist es nicht. Wenn ich Geld spare, aber dafür ein indisches Kind leiden muss, dann ist das auch meine Angelegenheit. Ich empfehle dieses Buch JEDEM. Und ich hoffe sehr, dass es etwas verändert.

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