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Rezension zu
Das Versagen der Religion

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Das Selbst ist eine gefährliche Idee

Von: Rudolf Steinmetz aus München
02.11.2014

Es ist nicht einfach einem solch hochgebildeten Autor wie Frido Mann Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Als Psychologe würde man wohl resignierend sagen müssen: austherapiert, weil er alles schon kennt und ausprobiert hat. Gerade sein überzeugendes Beispiel Daniel Barenboim verweist aber auf den neuralgischen Punkt seines Buches: Schuster bleib bei deinen Leisten. Das tut Daniel in vorbildlicher Weise, Frido jedoch nicht, dem es offensichtlich an eine tragfähigen Glaubenserfahrung mangelt. Sonst würde er nicht das Selbst in das Zentrum seiner selbst komponierten Religion rücken, was ja geradezu das Signum der antireligösen Moderne ist. Typisch sind - auch in der humanistischen Psychologie - Zielsetzungen wie „Selbst-Entfaltung“, „Selbst-Heilung“, „Selbst-Verwirklichung“ oder „Selbst-Ermächtigung“ etc. Tatsächlich jedoch ist das beherrschende Selbst eine Art Parasit, der zuerst die Persönlichkeit vollkommen macht, dann bestimmte Teile an sich reißt und schließlich im Kostüm der Person selbst auftritt (Idris Shah, Sufi-Wege zum Selbst, München 1994, S. 23.) Und Sigismund Schlomo Freud beschreibt sein Grundmodell der Seele so: „Wir nehmen an, daß das Seelenleben die Funktion eines Apparates ist, dem wir räumliche Ausdehnung und Zusammensetzung aus mehreren Stücken zuschreiben, den wir uns also ähnlich vorstellen wie ein Fernrohr, ein Mikroskop und dergleichen." Seine dazu verfasste Skizze ähnelt dem Schaltplan eines Transistors. Der Hund, den Frido wittert, liegt ganz woanders begraben. Es ist nicht das Versagen „der Religionen“, sondern der modernen, aufgeklärten, emanzipierten Menschen, die sich einer religiösen Disziplin nicht mehr unterwerfen wollen. Während die moderne Psychologie eine Verfeinerung des Egos anpeilt, geht es im spirituellen Training um dessen Zerkleinerung. Das ist der Kern jeder Religion, der sich in dem Gebot ausdrückt: liebe deinen Nächsten (d.h. auch deine Feinde) mehr (!) als dich selbst. Leider sind den Religionen im Zuge ihrer „Protestantisierung“ die qualifizierten Trainer abhanden gekommen, so dass nun alle in der menschlichen Praxis auf den Hund gekommen sind. In diesem Punkte hat der Autor recht.

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