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Rezension zu
Jahrhundertzeugen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Nehmt euch Zeit – es hallt nach: Jahrhundertzeugen von Tim Pröse

Von: Christiane aus Konstanz
25.07.2017

Ich habe Angst, dass ich die letzte Seite des Buches umschlage. Denn dann wäre es zu Ende. Es ist dermaßen berührend, dass ich es immer wieder aus der Hand legen muss. Um zu reflektieren, um das gerade Gelesene zu verarbeiten, um mir vorzustellen, was jedes einzelne Wort für die Protagonisten der 18 Erzählungen bedeutet. Vielleicht um nachzufühlen, vielleicht auch um etwas zu Weinen. Was sind Helden? Tim Pröse präsentiert sein literarisches Werk „Jahrhundertzeugen“ über Menschen und die deutsche Geschichte, die ihre dunkle Seite nicht verbergen kann. Ein Ereignis der vergangenen Zeit, das nicht widerstandslos blieb – 18 Vorbilder und Hoffnungsträger für unsichere Zeiten. Ein Werk, das lange nachhallt. 18 Begegnungen, die berühren Besonders angesprochen hat mich beim vorliegenden Buch, dass dieses aus 18 einzelnen Begegnungen besteht, die nicht unbedingt aus Sicht der Betroffenen geschildert sind, sondern auch durch nahe Verwandte. Jedem einzelnen Portrait ist aber eines gemein: sie berühren. Sie bürgen Traurigkeit, spenden aber auch Hoffnung. Ein Buch „gegen Hitler“ – wie Pröse selbst anbringt, das Widerstandskämpfer, Holocaust-Überlebende, Menschenretter und ihre Hinterbliebenen zu Wort kommen lässt. Es gab sie wirklich, die Menschen, die für ihre Ideale kämpften. „Ich bedanke mich“ Gleich das erste Portrait ist es, das mich immer wieder begleitet und detailreich erhalten blieb: Jurek Rothenberg trifft auf seinen „Retter und Helden“ Berthold Beitz, den Generalbevollmächtigten Alfried Krupp von Bohlen und Halbachs. Als junger Direktor einer Erdölfirma im polnischen Boryslaw rettete er während des zweiten Weltkrieges mehrere hundert jüdische Zwangsarbeitern das Leben, indem er sie als unentbehrlich einstufte. Darunter auch der damals 14-Jährige Jurek Rothenberg. Im Jahr 2013 trifft er in Essen seinen ganz persönlichen Retter und Helden Berthold Beitz wieder. Seine andächtigen Worte und Gesten sind es, die ihn so bewundernswert machen. Jurek Rothenberg kehrte nicht nur gerne nach Deutschland zurück, am Ende blieb er sogar für immer. Auch Berthold Beitz, der lange Zeit über seine persönlichen Erlebnisse schwieg, zeigt sich in Gesprächen mit Tim Pröse unglaublich offen und die Schwere der Last scheint groß und unvergessen. Unvergessen auch Inge Aicher-Scholl, die sehr privat über ihre Geschwister Sophie Scholl und Hans Scholl spricht, die der Studentenbewegung „Weiße Rose“ angehörten und 1943 unter der Fallschwertmaschine starben oder Kurt Keller, der mit seiner Frau noch einmal an den Omaha Beach in Frankreich, an dem er am D-Day (der Invasion der Normandie) kämpfte und das Erlebte bis heute verarbeitet, zurückkehrte. Interessant auch Hans-Erdmann Schönbeck, früher deutscher Offizier in Stalingrad und später Widerstandskämpfern, schildert seine Erlebnisse um „Operation Walküre“ am 20. Juli und wie er überlebte – die Zeilen ließen wie selbst füllen. Das Besondere „Jahrhundertzeugen“ vereint vielerlei Aspekte, die das Werk unbedingt lesenswert machen. Es ist die Fülle an authentischen Begegnungen, die Tim Pröse selbst erfahren konnte (Neid), die abwechslungsreich dokumentieren, welch unvorstellbaren Zustände vor rund 70 Jahren herrschten. All das hielt mutige Menschen, die für ihre Rechte eintraten, nicht davon ab, still oder offen Widerstand zu leisten, wohlwissend, dass dies den Tod bedeuten kann. Die Berichte zu den „Hoffnungsträgern“ werden mit Wahrnehmungsperspektiven naher Angehöriger ergänzt und eröffnen uns neue Sichtweisen. Meine Bewunderung nicht nur den Akteuren, die offen ihre tiefen Gedanken und Erinnerungen teilen, sondern auch an Tim Pröse, der diese Begegnungen einfühlsam und sicher auf Papier brachte und vor allem jahrelang verfolgte. Gelungen und reich an Emotionen schafft er seine enge Verbindung und die Vertrautheit zu Porträtierten in wohlüberlegte Sätze zu formen und den Respekt für sein Gegenüber zu wahren. Grandiose Arbeit, die ich so schnell nicht vergessen werde.

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