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Rezension zu
Wem erzähle ich das?

Ali Smith - Wem erzähle ich das?

Von: Katharina
06.07.2017

WEM ERZÄHLE ICH DAS? trägt im englischen Original den Titel ARTFUL und genau das ist dieses Buch: Kunstvoll. Kunstvoll in allen Bedeutungen des Wortes. WEM ERZÄHLE ICH DAS? ist ein raffiniertes, meisterhaftes Buch, das voller Kunst steckt. Es lässt sich in keine eindeutige literarische Kategorie drängen: Ist es eine Erzählung? Eine Essaysammlung? Beides? WEM ERZÄHLE ICH DAS? ist ein ruhiges Buch, es hat kaum Handlung und ist doch so voller Inhalt, voller Tiefe. Literatur, Kunst und Kultur: Alles findet auf den nur 224 Seiten, die so gehaltvoll sind, dass man hätte drei Bände daraus machen können, seinen Platz. Für mich ist dieses schmale Buch eine große Liebeserklärung an die Geisteswissenschaften. Es ist ein Buch, mit dessen Verstehen ich noch immer nicht am Ende angelangt bin. Ein Buch, das man immer wieder zur Hand nehmen kann. Im Zentrum steht das Unvermeidliche. Das Ende, der Tod. Aus unserer Merkwelt wird der Tod verdrängt. Wer jedoch die Erfahrung des Verlustes machen musste, dem gelingt dieses Verdrängen nicht mehr. Smith' Protagonistin hat ihre Lebenspartnerin verloren. Als Geist, taucht sie wieder auf. Treibt Schnabernack, der aus dem Buch jedoch keine gruselige Schauergeschichte macht, sondern die tiefe Verzweiflung, die tiefe Trauer, die ein Mensch empfinden kann, aufs deutlichste darstellt. Was bleibt, wenn jemand geht? Wie fühlt sich Verlust an? Gerade die letzte Frage beantwortet Smith auf wunderbar (literarische) Art und Weise. Verlust grenzt ab: "Ich betrachtete die Frau und dachte im Stillen, sie hat nichts verloren. Sie ist noch nie von irgendetwas verunsichert gewesen. Sie hat einen Mann. Er singt unter der Dusche." "(...) Ich wollte mir nur für einen Augenblick ausmalen, wie ein Schatten über das Gesicht von jemandem zieht, der sich anscheinend besser als ich darauf verstand zu enträtseln, was in meinem Leben vor sich ging, ein Schatten der Welt, der ich mich eng verbunden fühlte und mit dem sie und ihr Mann, der unter der Dusche sang und eine Sprache beherrschte, die ich nicht sprach, und alle anderen Leute auf der Welt, deren Leben noch heil und unkompliziert und erklärlich war, keine Berührung hatten." Die verstorbene Geliebte war eine begnadete Kunst- und Literaturwissenschaftlerin. Auch ein Jahr und einen Tag nach ihrem Tod kann Smith' Ich-Erzählerin nicht loslassen, alles erinnert sie an die Verstorbene, deren Vorlesungen überall in der Wohnung verstreut liegen. Es enspinnt sich ein Dialog mit der Erscheinung der Geliebten über Alfred Hitchcock, Salvador Dalí, Shakespeare, Sappho, Michelangelo. Über das Erzählen. Über all dem - oder durch all das - gewinnt die Ich-Erzählerin ihren Lebensmut wieder, ihre Lust am Sein. Ihre Neugierde. Aber ist das nicht dasselbe? "Als ich mit dem Anruf bei der Arbeit fertig war, ging ich (sehr schnell) ins Internet und suchte nach Sprachschulen, die es hier am Ort gab. (...) Schon bald würde ich ein neues Alphabet kennen, schon bald mit Hilfe eines Lehrbuchs für Fünfjährige ein paar sehr einfach Sätze sprechen können." Ein Zitat von Dwight Garner, der für die New York Times schreibt, ziert die englische Originalausgabe: »I will keep this book on my shelves forever.« Besser lässt sich ein Fazit zu diesem Buch nicht formulieren. WEM ERZÄHLE ICH DAS? ist ein brillantes Buch für Kunst- und Kulturversessene. Danke, Ali!

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