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Rezension zu
Mädchen aus Papier

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Die Fälschung und das Meisterwerk

Von: Bookpalast
05.06.2017

Dieses Buch ist unglaublich … voll. Es ist voller Emotionen, voller Schwierigkeiten. Es ist angefüllt mit komplexen Charakteren und schwierigen Entscheidungen. Die Sätze sind angereichert mit Vergleichen und Metaphern, und in Kombination mit dem schwierigen Thema, an das sich die Autorin hier heranwagt, ergibt es einen schwer verdaulichen Roman. Es ist kein „Sommer, Sonne, Strandboy“-Roman, den man in der Sekunde vergessen hat, in der man ihn zurück ins Regal stellt. Nein, "mädchen aus papier" geht sehr nahe und es dauert eine Weile, bis man sich aus diesen Wirrwarr aus Problemen wieder befreit hat. Hier kann ich nur auf ein paar herausragende Punkte eingehen, wir wollen ja nicht, dass sich jemand in dieser Rezension verirrt. Stimmungsschwankungen „Plötzlich bin ich nicht mehr die einzige automatische Puppe im Haus. Wir sind eine Puppenfamilie in einem Puppenhaus. Wir spielen Familie, frühstücken gemeinsam und tun so, als wäre alles normal. Wie Figuren in einem Diorama, das im Museum steht.“ (S.24*) Wie bereits angedeutet, ist dieser Roman vollgepackt mit Emotionen, die sich im Laufe der Zeit gravierend verändern: Vom automatischen Funktionieren über Freude und Enttäuschung bis hin zur allgemeinen Unsicherheit ist im Puppenhaus alles vorhanden. Die Atmosphäre wird in den verschiedenen Stadien des Romans sehr gut dargestellt: Anfangs dieser künstliche Anschein, als würden sie alle nur Familie spielen, der kalte und steife Umgang miteinander, der Wille, nach außen hin wie eine funktionierende Familie zu wirken. Auch Maris Gefühl, nicht wirklich da zu sein, sondern nur einen Abklatsch der perfekten Schwester darzustellen, wird sehr gut eingefangen. Später dann, als Annika wieder auftaucht, herrscht eine sehr ungemütliche Stimmung, die Überforderung sämtlicher Anwesender und deren gespielte heile Welt ist fast mit den Händen greifbar. Hier bedient sich die Autoren jeder Menge Metaphern und Vergleiche, was sich vielleicht etwas anstrengend liest, aber doch die Grundstimmung sehr gut ausdrückt. Flammangs Schreibstil ist verschwenderisch: Symbole, Metaphern, Vergleiche, das ganze Programm. Es sind viele bildliche Ausdrücke vorhanden, aber man wird auch nicht in Adjektiven ertränkt, also ist der Balanceakt zwischen sachlich und blumig schon mal gelungen. Hier ein weiteres Beispiel: „…manchmal ist das Gehirn wie ein vergesslicher Schauspieler, dem man nur das richtige Stichwort zuzuwerfen braucht, und schon kommt die Erinnerung zurück.“ (S.297*) Zwischen Museumswärtern und Zurückgebliebenen Die Charaktere in diesem Buch sind sehr vielseitig, was ja grundsätzlich gut ist, keiner mag platte Klischee-Charaktere, deren Handlungen absolut vorhersehbar sind. Das Problem ist hier nur, dass JEDE Nebenfigur ihre eigene Geschichte und ihre eigenen Probleme hat. Das kann überfordern und gibt dem Leser keine Atempause, denn wenn es einmal nicht um das Zusammenleben mit Annika geht, dann läuft uns die magersüchtige beste Freundin über den Weg und stochert nur in ihrem Kuchen herum und eigentlich müsste man sich mit diesem Thema auch noch auseinandersetzen, aber das geht ja nicht, schließlich geht es hier nicht um Essstörungen. Es gibt einfach so viele Nebengeschichten, die immer nur angebrochen, aber nie zu Ende erzählt werden können, so viele ungelöste Probleme, die auf den Leser einstürzen und ihn nicht mehr ganz loslassen, weil es keine Auflösung gibt, bei der auf einen Schlag alle Probleme auf den Mond geschossen werden und sich alle glücklich in den Armen liegen. „Annika war immer das verschwundene Kind, das unsichtbare Kind, dessen Platz ich eingenommen habe, ohne es zu merken. Der Klon, gezüchtet, um die Leerstelle zu füllen. Aber ich habe keine Lust mehr, die stille Kopie der Traumtochter zu spielen. Das Zweitauto, das brave Kind, das die Familie komplett macht, das zu funktionieren und sich anzupassen hat, auch wenn nichts mehr stimmt.“ (S.252*) Mari befindet sich in einer schwierigen Situation: Sie weiß nicht mehr, wer sie sein soll, wie sie sich verhalten soll, jetzt, wo die Stelle des ersten Kindes plötzlich wieder besetzt ist, jetzt, wo sie nicht mehr der Ersatz ist. Auf der einen Seite gibt es Maris Eltern, die nie mit dem Verlust ihrer Tochter abschließen konnten, die das Haus in ein Museum ihrer perfekten kleinen Prinzessin verwandelt haben, die ihr Kleinmädchenzimmer konserviert haben. Nun kommt ihre Tochter zurück und zerstört die Seifenblase, in der sie sich befanden, sie ist nicht das perfekte kleine Mädchen mit der süßen Häschenmütze, nein, sie ist verschlossen und trauert um die Entführerin, die für sie die Mutter war. Maris Freunde sind alle in der Selbsthilfegruppe für Geschwister von verschwundenen Kindern, sie alle haben ihre eigenen Geschichten und Probleme. Das bedeutet, dass Mari selbst nur Kontakt zu Menschen hat, die sie immer und immer wieder an ihre eigene Schwester erinnern. Sie ist umgeben von Museumswärtern und Zurückgebliebenen. Der Club der Zurückgelassenen Das Thema dieses Romans ist eine Entführung. Davon gibt es sicherlich einige, aber das Besondere an diesem Roman ist zum einen, dass es kein Krimi ist, es geht nicht um die Aufklärung des Falles, es geht nicht darum, das Kind schnellstmöglich wiederzufinden. Es geht auch nicht in erster Linie um die Entführte selbst, es geht nicht um das direkte Opfer dieses Verbrechens. Annikas Erfahrungen werden nur kurz geschildert und ihre Gefühle in Bezug auf die „neue alte“ Familie kommen meist gar nicht zur Sprache. Stattdessen geht es hier um die Zurückgelassenen, diejenigen, die verschont geblieben sind und das nicht unmittelbar nach dem Verbrechen, hier werden die Langzeitschäden deutlich, die jeder einzelne Beteiligte erlitten hat. Und dieses Szenario ist nicht irreal, laut focus.de sind Anfang diesen Jahres 11 000 Kinder in Deutschland vermisst gemeldet und deren Familien müssen sich tagtäglich damit auseinandersetzen, dass ihr Kind vielleicht wieder auftauchen könnte oder schon längst tot sein könnte. Von daher finde ich es durchaus empfehlenswert, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass nicht nur die Opfer die Geschädigten sind. "mädchen aus papier" ist ein sehr ergreifender Roman, der sich mit einem komplexen und schwierigen Thema auseinandersetzt, das tausende von Familien betrifft. Der Schreibstil ist reich an bildlichen Ausdrücken und kreativen Vergleichen, die die wechselnde Stimmung gut einfangen. Das Problem ist, dass diese 350 Seiten zu vollgepackt sind, es sind zu viele Nebengeschichten, zu viele ungelöste Probleme, sodass es als Leser schwer ist, einen Abschluss zu finden. Insgesamt ist es kein leicht verdaulicher Roman, man muss sich darauf einlassen und damit leben können, dass sich am Ende nicht alle Probleme in Luft auflösen.

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