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Rezension zu
Die Katzen von Montmartre

Sieben Katzen und ein Todesfall

Von: Anja Beisiegel Hund im Buch
31.05.2017

Hunde und Katzen verbindet oft eine Hassliebe. Man geht sich bestenfalls aus dem Weg. Schlimmstenfalls kommt es schlimmer. Ist es ein Verrat am eigenen Vierbeiner, wenn ich einen Katzenkrimi in meinen literarischen Hundeblog bespreche? Ich meine: Nein! Tessa Korbers Buch ist eine so schöne Lektüre, dass ich sie Hundeliebhabern nicht vorenthalten möchte und Katzenfreunden schon gar nicht. Korbers sieben Katzenhelden und -heldinnen, die -mit vielen anderen Katzen- den Cimetière de Montmartre bevölkern, sind so etwas wie Sympathieträger ihrer Gattung. Dem können sich weder eingefleischte Hundeleute entziehen, noch -so hoffe ich- Menschen die weder Hund noch Katz mögen. Der Kater Bonnard, nach dem Pariser Maler Pierre Bonnard, ist der intellektuelle Kopf einer sympathischen Truppe von fünf Katern und zwei Kätzinnen. Deren geregeltes Leben auf und um den Pariser Friedhof wird von zwei unerhörten Ereignissen erschüttert: Auf dem Friedhof wird die Leiche eines ermordeten Mädchens gefunden und gleichzeitig verschwindet Grisette. Eine kokette, junge Katzendame, deren Ahnenreihe sich bis in das Frankreich unter Ludwig den XIV. verfolgen lässt. Diese Ereignisse lösen nicht nur Aufruhr unter den Katzen, sondern auch unter den Menschen am Montmartre aus. Man sollte bei Tessa Korbers Buch jedoch keinen haarsträubenden Thriller erwarten, der einem den Nachtschlaf raubt. Das Geschehen geht ruhig seinen Gang. Katzen sehen alles nun einmal eher von der gelassenen Seite, und sie spielen in diesem Buch die Hauptrolle. Geben das Tempo an. Erst in der zweiten Hälfte nimmt die Geschichte an Fahrt auf. Die Autorin legt falsche Fährten, mit denen sie Leser, zwei- und vierbeinige Ermittler zu täuschen versucht. Aber Bonnard und der ermittelnde Polizist Commissaire Bonenfant behalten den Überblick. Gibt man sich aber mit weniger Suspense und Thrill zufrieden, wozu ich ausdrücklich rate, wird man mit einer wunderbaren Pariser Stimmungsstudie entschädigt. Die Katzencharaktere sind alle individuell und liebevoll gezeichnet. Die Kater tragen allesamt große Namen: Matisse, Dégas, Miró und Pablo, wie man es in einem Künstlerviertel auch nicht anders erwartet. Durch die Geschichte zieht der Duft der Religieuses, Tartes de Pommme, Croissants, Madeleines und Macarons, die in der Patisserie von Madame Valladon hergestellt werden. Leckereien, die von dort in das Viertel „wie kleine Raumschiffe“ hinausfliegen. Der Kiosk Madame Chauchats verbreitet den Geruch von Tabak und Druckerschwärze. Aus Monsieur Moulins Bistrot wabern die Aromen von Rotwein und Pariser Küche. Tessa Korber -ihres Zeichens Historikerin und Germanistin- wartet bei der Namensgebung ihres Personals mit zahlreichen literarischen und kulturgeschichtlichen Bezügen auf. Den Kiosk betreibt Madame Chauchat. Natürlich drängt sich der Bezug zu Thomas Manns Zauberberg-Verführerin Clawdia Chauchat auf. Chaud chat, frei übersetzt heiße Katze, ist ein angemessener Name für die ehemalige Prostituierte. Auch der Name ihrer Kätzin Grisette -dem Entführungsopfer- weist in die zwielichtigen Milieus: Die Grisette (eigentlich eine in verwaschenes Grau gekleidete alleinstehende junge Frau) galt im 19. Und frühen 20. Jahrhundert als weibliches Pendant des Bohèmien, als unverheiratete, zweifelhafte Person. Die Patissière Valladon und ihre lebenserfahrene Kätzin Suzanne sind -zusammengenommen- eine Reminiszenz an die Malerin Suzanne Valadon, die Mutter Utrillos. Im Roman ist Suzanne die Mutter der beiden pubertären Katerchen Pablo und Miró. Der Bistrobesitzer Moulin liebt es Katzengedichte zu zitieren, die von den rüpeligen Jungkatern verunglimpft werden. So ist das Lesen dieses Buches auch ein literarisches Ratespiel: Wer mag kann versuchen, die Gedichtfragmente den Werken von Baudelaire, Heine und allen anderen zuzuordnen. Die Roman-Handlung wird meist aus der Perspektive der verschiedenen Katzen erzählt. Korber gelingt es, diese erzählerische Perspektive leicht und authentisch zu vermitteln. Man verzeiht den Katzen kleinere Fehleinschätzungen der Weltgeschichte und gewinnt Einblicke in deren originelle Urteilsfähigkeit: Hundehalter, so sieht es jedenfalls Grisette, sind „Hundesklaven“, die „sich an einer Leine von Kothaufen zu Kothaufen ziehen“ lassen. Mein ganz persönliches Fazit als bekennende „Hundesklavin“: Tessa Korber entführte mich mit ihrem Roman in den kleinen, großen Kosmos von Montmartre, einen Sehnsuchtsort in dem längst nicht alles heiter und heil ist. Das Buch macht Lust auf Paris, auf einfachen Rotwein, süße Macarons und: auf Katzen.

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