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Rezension zu
Freie Liebe und andere Geschichten

Begegnungen

Von: letteratura
10.04.2017

Unter dem Titel „Freie Liebe und andere Geschichten“ erschienen vor kurzem Erzählungen der schottischen Autorin Ali Smith. Die Originalausgabe kam bereits 1995 heraus und hierzulande hat man sich für eine Taschenbuchausgabe entschieden – möglicherweise ein Zeichen dafür, dass die Kurzgeschichte bei uns immer noch die ungeliebte kleine Stiefschwester des Romans ist. Und ich nehme mich auch nicht ganz aus: Vor die Wahl gestellt, ist auch mir die längere Form lieber, fühle ich mich wohler, wenn das Lesen von Literatur ein längerer Prozess ist, wenn ich mit den Figuren zusammenwachsen und sie begleiten darf über mehr als wenige Seiten. Ein Kriterium für eine gute Kurzgeschichte aber kann sein, sie so zu erzählen, dass der Leser am Ende trotzdem das Gefühl hat, er habe einen Roman gelesen. Ali Smith gelingt das in ihren Geschichten sehr gut. Ihre Figuren erwachen in kürzester Zeit zum Leben und sie lässt uns unmittelbar teilhaben an dem, was sie erleben. Smiths Erzählungen sind sehr dicht, und man erfährt viel mehr über ihre Figuren als das, was sie uns direkt mitteilt, wobei bei Smith Vieles entweder wie nebenbei angedeutet wird oder gänzlich unausgesprochen bleibt. Literatur zum Mitdenken also, die man aber auch genauso gut genießen kann, ohne weitere Ebenen aufzuspüren oder aufspüren zu wollen. So wirft uns Smith also meist mitten hinein in ihre Geschichten, deren Protagonisten hier stets weiblich sind, weiblich und oft furchtlos. Frauen, die das Leben genießen oder es – auch angesichts von Schicksalsschlägen, die sie teilweise ereilt haben – genießen wollen. Dieser Mut, der da zum Teil offenbar wird, ist oft sehr erfrischend und ansteckend. Wollte man weitere Gemeinsamkeiten zwischen den Erzählungen finden, so fällt auf, dass es bei Smith oft um Begegnungen geht, zum Beispiel darum, jemanden attraktiv zu finden und sich ihm oder ihr anzunähern, aber auch um Begegnungen anderer Art. Eine Geschichte erzählt so vom Wiedersehen von zwei Schulfreundinnen nach langer Zeit, eine andere vom Besuch bei einer Prostituierten. Einige der porträtierten Frauen machen im Gegensatz nicht einen Schritt auf jemanden zu, sondern von jemandem weg. Immer geht es um ein freies selbstbestimmtes Leben. Dass Ali Smith eine interessante, kreative Autorin ist, habe ich schon in ihrem lesenswerten Roman „Beides sein“ erleben dürfen, der Roman, der den Wunsch bei mir aufkommen ließ, mehr von ihr zu lesen. Ihre direkte, schnörkellose Sprache, ihre Art, unumwunden auf den Punkt zu kommen, machen diese Erzählungen zu einem schönen Leseerlebnis. Auf manchmal sehr wenigen Seiten entfaltet sie Geschichten, die dann so viel mehr erzählen, als direkt dort steht, sodass man tatsächlich denkt, man habe viel mehr Zeit mit den Figuren verbracht, viel mehr Seiten umgeblättert. Und das Bedürfnis kommt auf, weiterlesen zu wollen, so vertraut werden einem diese Frauen auf wenigen Seiten. So werde ich wahrscheinlich das nächste Mal wieder zu einem Roman von Ali Smith greifen, ihre Kurzgeschichten empfehle ich aber trotzdem gerne weiter.

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