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Rezension zu
Gehe hin, stelle einen Wächter

"Gehe hin, stelle einen Wächter" von Harper Lee

Von: Jacy Green
14.11.2016

Inhalt Wie jeden Sommer kehrt die Wahl-New Yorkerin Jean Louise in ihre Heimatstadt Maycomb im Süden der USA zurück um ihre Familie zu besuchen. Doch dieses Mal ist etwas anders. Rassenunruhen breiten sich aus und mit großem Erschrecken muss Jean Louise erkennen, dass ihr Vater und ihr ältester Freund Henry in der ersten Reihe stehen... Meine Meinung Von Harper Lee, der Autorin des Weltbestsellers To Kill a Mockingbird, zu deutsch Wer die Nachtigall stört hat wohl jeder zumindest schon einmal gehört. Lange galt der Roman als das einzige Werk der Schriftstellerin, bis 2015 ein weiteres Buch auftauchte, das Lee wohl schon Jahre zuvor geschrieben hatte: Go Set a Watchman. Es wundert mich eigentlich selbst, dass ich bisher noch nie zu Wer die Nachtigall stört gegriffen habe, denn wer mich und meine Lesevorlieben kennt, der weiß, dass ich Romane rund um den Abolitionismus und den amerikanischen Rassenkampf sehr gerne mag. Fragt mich nicht, warum, aber irgendwie treffen mich solche Bücher immer mitten ins Herz. Daher war ich auch sofort Feuer und Flamme für Gehe hin, stelle einen Wächter, das von den selben Charakteren wie Lees erster Roman handelt, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt. Es wäre vielleicht klüger gewesen, erst den anderen Roman zu lesen, doch da mir dieser hier freundlicherweise vom Verlag zur Rezension zur Verfügung gestellt wurde, wollte ich die Damen und Herren dort nicht länger als nötig warten lassen. Ich fand erstaunlich schnell Zugang zu dem Roman und war ehrlich gesagt ein wenig überrascht von der Leichtigkeit und dem offenen Humor, der Lees Stil kennzeichnet. Bei solch alten Romanen regt sich in mir wohl immer noch die unterschwellige Angst, ein Stück staubtrockener Literatur vor mir zu haben. Dennoch braucht der Roman eine Weile, bis er zum eigentlichen Kern vordringt, was jedoch durchaus gerechtfertigt ist, um zu erklären, warum die Protagonistin Jean Louise von den aktuellen Entdeckungen so verstört ist. Zunächst werden Jean Louise und ihre Familie vorgestellt. Jedes Jahr reist die Wahl-New Yorkerin zurück in ihre Heimatstadt Maycomb im Süden der USA um den Sommer bei ihrem Vater Atticus und ihrer Tante zu verbringen. Auch ihren Kindheitsfreund Henry trifft sie dann wieder und diesen Sommer ist sie kurz davor, seinem Werben nachzugeben und ihn zu heiraten. Doch dann muss sie mit Entsetzen feststellen, dass ihr Vater, ein angesehener Anwalt, und Henry in vorderster Front stehen, als sich Rassenunruhen ausbreiten, und sie muss sich fragen, was aus dem Mann geworden ist, der einst selbstlos Schwarze verteidigt hat. Letzteres wird wohl in Wer die Nachtigall stört thematisiert, wozu ich bisher noch nichts sagen kann. In diesem Roman scheint Atticus jedoch weitaus schlechter wegzukommen und hat wohl auch, wie ich verschiedenen Rezensionen und Meinungen zu dem Buch entnehmen konnte, Liebhaber von Lees erstem Roman ziemlich enttäuscht. Mir gefällt jedoch die Botschaft, die dieser Roman vermittelt und die Der Spiegel sehr treffend folgendermaßen zusammenfasst: "Der Roman ist auf schmerzhafte Weise die bessere Literatur, weil er moralisch nicht so selbstgewiss ist, sondern unsicher wie wir alle." Keiner der sympathischen Hauptcharaktere ist moralisch als unfehlbar zu bezeichnen. In jedem schlummert sowohl ein Rassist, als auch ein Menschenrechtler, wenn auch zu unterschiedlichen Teilen und aus verschiedenen Gründen. Lee zeigt mit dem Finger, ohne anzuklagen und ich habe häufig gedacht, dass man die Geschichte ohne weiteres in die aktuelle Zeit übertragen und Schwarze durch Flüchtlinge ersetzen könnte. Neben der eindeutigen Thematik werden auch Feminismus und Emanzipation behandelt sowie die Opfer, die das Streben danach erfordert und einen gelegentlich schwanken lassen. Dass die unkonventionelle Jean Louise unverheiratet ist, im mondänen New York lebt und sich strikt weigert, zurückzukehren um ihrem Vater den Haushalt zu führen, wird von vielen naserümpfend zur Kenntnis genommen. Vor allem ihrer Tante ist Jean Louises Lebenswandel ein Dorn im Auge, doch ihre ständigen Predigten stoßen auf taube Ohren. Dabei ist es nicht so, dass Jean Louise es nicht versucht. Dem Kaffeekränzchen beispielsweise, das ihre Tante für sie organisiert, wohnt sie ohne zu murren bei und diese Szene ist eine meiner liebsten in diesem Roman. Ich konnte mich zu 100 Prozent in sie hineinversetzen, als sie den Problemen und Ansichten ihrer ehemaligen Schulkameradin lauscht und sich fragt, wie sie dort hineingeraten ist. Mit diesem Roman ist Lee ein wahres Meisterwerk mit sympathischen und absolut authentischen Charakteren gelungen und ich kann es kaum erwarten, auch ihr anderes Buch zu lesen. Ich vergebe 5 von 5 Wolken. Vielen Dank an den Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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