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Rezension zu
Der Wurm in unserem Herzen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Wie der Tod sich in unser Leben schleicht

Von: wortesammlerin
06.11.2016

„Das Wissen darum, dass wir sterben müssen, nicht der Tod selbst ist der Wurm in unserem Herzen.“ So steht es schwarz auf weiß auf Seite 305. Der Wurm in unserem Herzen, der Teil von uns, der unsere Seele, wenn man es so nennen möchte, zu steuern vermag, ohne, dass wir uns dessen vollständig bewusst sind. Der Wurm frisst sich unablässig tiefer hinein in uns und greift unsere Gedanken an, bringt uns dazu, anders zu leben, als wir es womöglich tun würden, ohne uns unserer Vergänglichkeit bewusst zu sein. Doch wie kann das möglich sein? Niemand wacht morgens auf und ist des frühen Morgens, noch vor dem ersten Kaffee, von einer Panik-Attacke erfasst, in der sich unsere Gedanken um nichts drehen können, als darum, dass unser Körper eines Tages verwesen und von unserem heutigen Selbst nichts mehr übrig sein wird. Oder doch? Das amerikanische Autorenteam, bestehend aus den drei Professoren der Psychologie Sheldon Salomon, Jeff Greenberg und Tom Psyzczynski, die seit 30 Jahren gemeinsam an dieser Theorie forschen, machen uns in diesem Buch klar, wie unbewusst wir uns tagtäglich mit dem Tod auseinanderzusetzen haben – ohne, dass wir davon überhaupt erfahren. Unser Kopf dreht sich scheinbar, so die hier formulierte Terror-Management-Theorie, pausenlos um das Sterben. Der Tod treibt uns alle an und soll unsere Entscheidungen und Wesensarten maßgeblich beeinflussen, doch unsere Gedanken bleiben zumeist weit von ihm entfernt. Unsere Todesangst manifestiert sich in unserer Sucht nach Anerkennung, einem erstrebenswerten, hohen Selbstwertgefühl und der Suche nach einem sinnerfüllten Leben, das unser Dasein auf der Erde zu rechtfertigen hat. Viele interessante Beispiele veranschaulichen diese, im ersten Moment für mich zu einfach klingende, Theorie und verifizieren sie durch Experimente mit den unterschiedlichsten Probanden und Versuchsaufbauten. Ein Beispiel gefällig? Die Psychologen wollten anhand eines Experimentes ihre frisch aufgestellte Theorie beweisen, die in der Fachpresse gar nicht bis negativ aufgenommen wurde (wegen nicht beweisbarer Gedankenspiele, so sagte man), die, wie oben beschrieben, besagt, dass der Mensch von seinem, dieser Spezies eigenen, Sterbebewusstsein angetrieben und beeinflusst wird. Ein einfacher, psychologischer Versuch sollte erste Aufklärung bieten. Einigen US-Richtern wurden, da man der Ansicht war, dass gerade Richter ein starkes Bewusstsein für Gerechtigkeit entwickelt haben sollten, Fälle einer Frau vorgelegt, die der Prostitution beschuldigt wurde, ein Tatbestand, der von mehreren Zeugen berichtet worden war und demnach einen einfachen und vor allem klaren Fall darstellte. In der Regel sollte die Kaution um die fünfzig US-Dollar betragen, genau die Summe, die die Richter der Kontrollgruppe ohne zu zögern angaben. Der anderen Gruppe wurde der gleiche Fall vorgelegt, doch erst nachdem ihnen mit zwei einfachen Fragen ihre Sterblichkeit ins Bewusstsein gerufen wurde: Die nach den Gefühlen, die der Gedanke an den eigenen Tod in ihnen hervorrief, und die, was sie sich vorstellten, was mit ihnen nach ihrem Tod geschehen würde. Und wenn Sie nun denken, dass diese Richter, die sich ihres kommenden Todes während ihres Urteils vollkommen im Klaren waren, hätten die gleiche oder eine nur minimal erhöhte Kautionen gefordert, dann liegen Sie vollkommen falsch. Aber nicht nur die Urteilsfähigkeit dieser Richter konnten auf diese Art und Weise manipuliert werden, nein, sobald sich ein Mensch, und das Mensch-Sein ist einzige Voraussetzung hierfür, seines Todes bewusst wird, bemerkt er urplötzlich den Wurm in seinem Herzen und unterliegt seinen Urinstinkten, diesen Gedanken und dieses größer werdenden Lochs wieder zurück hinter den Vorhang des Unbewussten zu drängen. Wir leben verschwenderischer, ungesünder, unbedachter und radikaler in Mimg_20161103_152632omenten dieses Bewusstseins und geraten von einem zum anderen Moment in vollkommenes Gefühlschaos, in dem sich das Gehirn scheinbar nicht damit zufrieden geben kann, sich selbst als bloße ‚Genweitergabemaschine‘ zu betrachten. Der Sinn des jeweiligen Lebens verschiebt sich und neue Prioritäten werden gesetzt. Einen Abdruck zu hinterlassen, das wird das hinlängliche Ziel, erinnert zu werden, vielleicht sogar geehrt. Doch dass das auch gefährlich sein kann, dass die Angst vor dem Tod, kommt sie uns immer wieder im Laufe unseres Lebens in die Quere, uns auch körperlich krank machen kann, ist ebenfalls Thematik in diesem wirklich umfassenden Buch (siehe Inhalt). In mehreren Abschnitten werden verschiedene psychische Störungen behandelt, deren Auslöser nachweisbar in dieser Angst verankert sind, beispielsweise im Gefühl, ohne Bedeutung auf der Erde zu verweilen oder ohne Erwartung eines Lebens nach dem Tod zu verweilen. Doch nicht nur das, auch der Umgang mit dem Sterben wird aufgenommen, außerdem verschiedene Wege mit diesem Bewusstsein umzugehen zu lernen und somit glücklich zu leben. Alles in allem bleibt es natürlich ein Fachbuch, doch es ist unglaublich interessant geschrieben und erschließt sich schnell und einfach auch dem Otto-Normal-Verbraucher. Selbst die Literaturangaben, mit wirklich empfehlenswerten Beispielen und teilweise auch mit literarischen Beispielen, haben es mir angetan. Zu wissen, wo man sich weiter in das Thema einlesen könnte, vermittelte mir als Laie ein gewisses „extra“ Lesegefühl. Ich selbst hatte vorher noch nichts mit der Psychologie am Hut, kenne keine Fachtermini oder bin sonst irgendwie auf der Welle der Zeit, was diesen Fachbereich angeht. Ich bin bloße Interessentin an Unbekanntem und kann sagen, dass ich so vieles gelernt habe, das mir mein Leben tatsächlich erklärt, meine Gedanken auch in gewisser Weise zu ordnen vermochte und mich beruhigt hat, dass der Tod vielleicht auch einfach nur der Tod bleiben kann, ohne mich vom Leben abzuschrecken. Tatsächlich hat der ungefähre Ton der Terror-Management-Theorie etwas von einer „Therapie Light“, womit ich sagen will, dass viele tabuisierte Themen, wie der Sinn von Religionen für die Menschheit und ihre Kultur, oder die Motivation zum Terrorismus, angesprochen wurden, die einem modernen Menschen täglich begegnen, aber eher selten tatsächlich angesprochen werden. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit kann auf diese offene, neutrale Weise der Beschreibung die Lähmung beim Gedanken an den Tod etwas dämpfen und Erklärung bieten für unser Handeln und Denken. Denn „Wir alle müssen sterben, um sicherzustellen, dass das Leben weitergeht.“ (S.308).

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