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Rezension zu
Born to Run

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Geht unter die Haut

Von: Michael Lehmann-Pape
18.10.2016

Wer das Vergnügen hatte, eines der episch langen Konzerte von Bruce Springsteen zu besuchen, wer zumindest Videoeindrücke solcher „Arbeits-Veranstaltungen“ hat, der weiß und hat vor Augen, wie angespannt, fast starr, wie körperlich arbeitend Springsteen auf der Bühne steht. Da gibt es keinen lockeren Hüftschwung oder kreisende Schultern, den Unterkiefer nach vorne gepresst, der Körper unter Hochspannung und hoher „Traglast“ gespannt. Dass diese Körpersprache zum einen dem Selbstbild des Musikers als „Working-Class-Man“ entspricht, dass hier seine familiären Wurzeln in der rauen Welt der Arbeiterschaft liegen, dass aber diese immense Anspannung (und das Halten und Nutzen der Gitarre teils wie ein schweres Arbeitsgerät) auch der inneren Verfassung des Musikers entspricht, dass liest man mit Faszination in dieser offenen, ehrlichen, in der Sprache authentischen Autobiographie dieses Mannes, einer der weltweit populärsten Rockmusiker und eine amerikanische, sozialkritische Ikone. Dass einer wie er, so überhaupt, Formen der inneren Ruhe erst findet, wenn er vollständig verausgabt und nass geschwitzt nach Stunden die Bühne verlässt, das hat eben nicht nur mit seinem Anspruch zu tun, perfekte und bestmögliche Performance für das Publikum zu liefern („zu arbeiten“), sondern auch mit der Beruhigung eigener, innerer Dämonen, die Springsteen offen schildert. Eine Offenheit, welche diese Autobiographie zu einem dichten, anders als gewohnten „Erlebnis“ macht, die den Leser hineinblicken lässt in die Seele, die innere Befindlichkeit des Mannes. Auf und neben der Bühne. Der Perfektionist ist, der an jedem Song bis Ultimo feilt, der vieles an Musik in der Schublade noch hat, weil es bisher seinen Ansprüchen an Sound, Produktion, Abmischung oder anderem nicht genügt. Der seine Band, die „E-Street Band“ im Gesamten körperlich an den Rand führt. Der tatsächlich „Im Lauf“ ist. Ein stückweit „auf der Flucht“ vor den eigenen dunklen Seiten, ein „Born To Run“, das den Leser teils tief berührt und auf keiner Seite des umfangreichen Buches langweilt. „Und aus diesem Grund rockt die E-Street Band…..Abend für Abend mit der unverminderten Power einer Dampfwalze. Wir sind mehr als ein Konzept……Wir sind eine Philosophie, ein Kollektiv mit einem professionellen Ehrenkodex“. Wiedergeben, was an Leidenschaft der Fans im Raum steht. Nicht nachlassen. Alles geben für „den Job“, die Kunst, die Arbeit. Sichtbar sein, fassbar, alles geben, was man hat, weil das einfach „Ehre“ ist. Das ist die eine Seite. „“Er wurde mein Freund und Ratgeber in einer Zeit, in der ich mich in bedrohlicher Nähe zu meinen inneren Abgründen aufhielt“. Das ist die andere Seite dieser in 40 Jahren gewachsenen Ikone der Rock-Musik, dieses sozialen Gewissens auf der Bühne, des Mannes, der sich nie scheute, Randgruppen und Randthemen in eindeutiger Weise musikalisch zu verarbeiten. Der nie woanders stand als auf der sozialen Seite des „Gewissens“ Amerikas und, letztendlich, der Welt. Man mag seine Musik mögen oder nicht, aber diese Herangehensweise, den „Job“ vollständig ernst zu nehmen, diese dunkle Seite in sich zu versuchen, in Schach zu halten, das beeindruckt. Und das alles in einem Tonfall beschreben, der keineswegs von überbordendem Stolz auf die eigenen Erfolge geprägt ist, sondern schlicht, einfach, offen und rau ein tatsächlich intensives Leben erzählt. Ein Leben, das nie seine Wurzeln vergessen hat, sondern diese als Haut mit sich trägt. Und zugleich lebenslang alles an Energie „verbrennt“, um seine Depressionen ein stückweit auf Distanz zu halten. Indem er körperlich alles gibt, sich an Gewichten und an der Gitarre gleichermaßen verausgabt. Ein Mann, „auf der Flucht“, das aber „Flussaufwärts“ gemeinsam mit „seinen Jungs“, allen voran lange Jahre der „Soubrother Nr. 1“, Stevie van Zandt („Little Steven“). „Wenn ich den Rock´n´Roll entfesseln will, brauche ich bloß Steve eine Gitarre in die Hand zu drücken“. (seit einiger Zeit bereits hat Nils Lofgren diesen Part übernommen) Und einer, der das alles über sein Werk und seine Person, sein Werden und Sein, einfach, schlicht und geradeheraus jetzt im ganzen Umfang mitteilt. Eine überragende Autobiographie, eine offenes „sich Zeigen“ ohne Visier.

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