Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Die Liebe unter Aliens

Neue Erählungen von Terezia Mora

Von: Marina Büttner
11.10.2016

Terézia Moras neues Buch ist ein Band mit zehn Erzählungen. Jede einzelne wäre geeignet, sie auf einen Roman auszudehnen, soviel Potenzial bergen die Geschichten und vor allem die Figuren. Doch natürlich funktionieren sie in dieser verkürzten Form am Besten. Erzählungen erreichen ja meist keine so große Leserschaft, was schade ist. Mit diesem Buch ist mir bewusst geworden, woran das möglicherweise liegen könnte: Mora erschafft Figuren, die beim Lesen so präsent sind, so nahe kommen, dass sie nicht nach 25 – 30 Seiten schon wieder verschwinden sollen. Um weiter zu lesen musste ich mich von den eben kennengelernten Personen verabschieden, was mitunter nicht leicht war. Liest man Kurzgeschichten, muss man sich also einverstanden erklären, immer wieder los zu lassen und sich Neuem zu zu wenden (oder aber im eigenen Kopf die Geschichten weiter schreiben). „Ein Pensionist der Bahn, ein ehemaliger Schaffner, warum frühverrentet, keiner fragt. Er tut nichts Benennbares, dennoch ist klar, dass er ein Sonderling ist, und obwohl das kein offiziell anerkannter Grund für eine Frühverrentung ist, nehmen alle an, dass es etwas damit zu tun hatte.“ Der 57-jährige Pensionist wird der Marathonmann genannt, weil er mal Marathonläufer war. Als ihm eines Tages auf der üblichen Einkaufsrunde der Beutel mit Portemonnaie und Schlüsselbund aus der Hand gerissen wird, ist er in der Lage, dies unter Beweis zu stellen. Er rennt dem flüchtenden Dieb hinterher. Einmal gestartet, ist er nicht zu bremsen, zum Erstaunen des Diebs, der ihn dann auch nur aufgrund einer roten Ampel abhängen kann. Dennoch läuft Marathonmann weiter – er kann es noch! – erst als er merkt dass er sich weitab der eigenen Wohnung befindet, stoppt er und fragt sich kurzatmig was nun. Und plötzlich glaubt er den Dieb wieder zu erkennen und stürzt sich auf ihn … Die Geschichte vom Marathonmann ist die erste im Buch und sie hat mich am meisten beeindruckt. Denn während der Mann rennt, spult sich, durch das Laufen ausgelöst, der eigene Lebensfilm vor dem inneren Auge ab. So erfährt der Leser einiges über dessen Lebensumstände und über das, was ihn vielleicht so einsam und sonderlich gemacht hat. In Terézia Moras Geschichten geraten die Protagonisten, die alle in irgendwie prekären Verhältnissen leben, in unvorhersehbare, manchmal haarsträubende Situationen und werden dadurch aus ihrer teils allzu groß gewordenen Routine gerissen. Manchmal ergeben sich dadurch neue Sichtweisen, Überraschungsmomente, Hoffnungsschimmer, manchmal endet es ungut. Der Fluss (der See, das Meer) als Metapher taucht immer wieder auf, als Zeichen, dass vielleicht doch wieder etwas ins fließen kommen kann in diesen stockenden Lebenläufen. Die Autorin arbeitet die einzelnen Charaktere mit sehr wenig Aufwand gekonnt aus: Sei es ein Mann, der plötzlich zurück in die Kindheit versetzt wird, als er die Nachricht vom Tod seines ehemals besten Freundes erfährt. Sei es eine Frau, die keine Kinder hat, die auf ein sehr junges, irgendwie liebenswert naives Pärchen (Die Liebe unter Aliens) trifft und sie sogleich unter ihre Fittiche nehmen will. Doch das Mädchen verschwindet … Sei es ein Rechtsanwalt, der gar keiner sein will, es aber den Eltern zuliebe vorspielt und nach deren Tod das geerbte Haus in eine skurrile Pension verwandelt und sich mit seiner Leidenschaft für antike Möbel selbst in den Ruin und die Geliebte (ver)treibt … Sei es das Künstlerpaar, dass illegal nach Deutschland kommt, ohne Geld ohne feste Arbeit und dessen Beziehung deshalb in die Brüche zu gehen droht …Sei es der japanische Professor, der nach seiner Emeritierung nicht mehr weiß, wie er seine Tage füllen soll und der plötzlich seine Leidenschaft für eine buddhistische Göttin entdeckt … Oder sei es die Frau, die aus unglücklicher Liebe für ein Forschungssemester nach London geht und dort, statt für ihre Arbeit zu recherchieren, beginnt, täglich etliche Kilometer zu Fuß durch die Stadt zu gehen, jeden Tag mehr … „Mich hat mein Geliebter nach 8 gemeinsamen Jahren verlassen, als ich ihm sagte, er sei mein Leben, sage ich. So etwas kann man doch zu keinem Menschen sagen, sagten meine Freunde. Da verließ ich sie und kam hierher.“

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.