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Rezension zu
Die neue Wildnis

Szenario einer nicht lebenswerten Zukunft

Von: iGirl aus Bad Nauheim
05.06.2022

Es geht um eine Gruppe von Menschen, Teilnehmende an einer Studie zum Leben in der Wildnis, deren Leben auf das Wesentliche reduziert ist, nämlich dem Überleben. Ein Leben in der Steinzeit. Ein Leben in dem das Retten eines Seils wichtiger wird als ein Menschenleben. Ein Leben ohne Zukunft, da es keinen Weg zurück in ein lebenswertes Leben gibt. Das Leben der Wildnisgruppe wird von einer Gruppe von Rangern überwacht, die unbarmherzige Regeln umsetzen und Strafen festsetzen und die Gruppe ohne sichtbaren Grund von einem Ort zum anderen treiben. Ist es wirklich eine Studie oder eher ein Menschenversuch? Der Autorin gelingt es sehr gut die ungewöhnlichen Emotionen der einzelnen Personen der Gruppe hautnah zu beschreiben. Es ist eine eigenartige Mischung von Unberührtheit, Grausamkeit, Verlässlichkeit und Vertrauen, basierend auf dem zusammen geschweißt sein in der Gruppe wohl wissend, dass man alleine keine Chance hat. Der Schreibstil spiegelt die Charaktere wieder, die fast emotionslos und teils gnadenlos ihr Schicksal dieses unerbittlichen Lebens in der Wildnis angenommen haben. Die Grenzen zwischen Menschsein und Tierwerden verschwimmen. Erzählerisch bildhaft begleiten wir Lesenden wie sich die Sinne der Protagonisten schärfen und sogar die Sprache in der Gruppe, speziell die der Kinder, sich anpasst an Beobachtungen aus dem tierischen Leben („Rudel“, „Junge“). Die soziale Interaktion in der Gruppe ist geprägt von Unterstützung, Rücksichtnahme, Arbeits- und Eigentumsteilung einerseits jedoch andererseits durch Machtstreben, Führungswille, gefühllosem Trennen, Zurücklassen und Tod. Fortwährend hatte ich das Gefühl, dass etwas Unheilvolles über der Gruppe schwebt, dass der Schrecken hinter dem nächsten Baum lauert, dass es keine Gnade gibt, denn es geht um das Überleben des Einzelnen, so dass für Gefühl kein Platz ist. Und doch gibt es Momente des absoluten Zusammenhalts, der Zuneigung und des Sorgens. Sehr eindrücklich geschildert fand ich die heranwachsende Agnes, die einerseits um die Liebe ihrer Mutter Bea ringt und sich gleichzeitig versucht sich von ihr zu lösen. Es scheint ein schier unzertrennbares Band zwischen den beiden zu geben, das gleichzeitig aufgrund der gnadenlosen Umstände nicht sein darf, ja gar gefährlich wäre. Agnes ist ein Kind der Wildnis, einerseits stark, durchsetzungsfähig, eigenwillig, andererseits jedoch verletzlich und verunsichert, Halt und Bindung suchend (gut dargestellt durch das Umklammern des Knöchels ihrer Mutter). Ihre Mutter Bea nimmt ebenfalls eine besondere, bestimmende Rolle ein, sowohl in der Gruppe, also auch zu ihrer Tochter Agnes. Letztendlich war Agnes Gesundheitszustand als Kleinkind der Anlass für die Entscheidung zum Leben in der Wildnis. Der Charakter Beas ist facettenreich, sie ist sowohl hart und unerbittlich, teils abweisend gegenüber Agnes, jedoch ebenso sorgend, behütend, planend. Sehr gut gefallen haben mir die Beschreibungen wie die Gruppe lernt die Natur zu beobachten und daraus Überlebenstechniken ableitet: wo ist Wasser, wie erkenne ich leicht erlegbare Beute, wie mache ich Lebensmittel haltbar, wie schütze ich mich vor Kälte, Wind, Wetter, wie finde ich meinen Weg, was brauche ich in der Wildnis und welche Zivilisationserrungenschaften sind in der Wildnis komplett sinnlos? Mein Fazit: Diane Cook ist es hervorragend gelungen die Grenzen zwischen menschlichem und tierischem Verhalten verwischen zu lassen. 'Die neue Wildnis' ist für mich eine absolute Grenzerfahrung für einen Stadtmenschen, was mich angesichts der vorhandenen Klimaproblematik sehr nachdenklich gemacht hat. Daher gibt es von mir eine 5-Sterne-Bewertung mit absoluter Leseempfehlung.

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