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Rezension zu
Kleinstadtfarben

Schön war's!

Von: der Herscheider aus Herscheid
10.10.2021

Seine Bücher werden immer besser. Für Martin Becker dürfte diese Entwicklung beruhigend und gleichzeitig eine Herausforderung für das nächste Buch sein. Der schrullige Polizist Pinscher wird nach Verfehlungen aus einer Rheinmetropole in die Kleinstadt seiner Jugend Mündendorf strafversetzt. Dort schlägt er sich mit den Ängsten, Katastrophen, Gefühlen und Erinnerungen seines Lebens herum. Zitat „Pinscher hat getan, was er ausgesprochen gut kann: weglaufen.“ Von der ersten bis zur letzten Seite geht es um nicht weniger als die Themen Angst, Abschied und Tod (konkret werdend am Sterben der Mutter). – Dinge, die jedem nahestehen, der nachdenkt. Es fiel mir leicht, mich auf Stil und Sprache Martin Beckers einzulassen. Er lässt Pinscher gekonnt auf einem Grat zwischen Verschrobenheit und Normalität wandeln. Bei der Lektüre wurde er immer mehr zu einer Person, von der ich dachte: der beobachtet, denkt und fühlt ja wie ich – nur handelt er meist konsequenter. Wohltuend wirken auch literarische Tricks, die Martin Becker beherrscht. Gekonnt streut er sinnanregende Bezüge zu Musikstücken ein (Wilhelm Müllers Worte aus Schuberts Winterreise „Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus“ tauchen im ersten Teil und zum Schluss auf; das Zitat umrahmt so die Geschichte und spiegelt die Entwicklung des Helden.). Die Namen der Figuren sorgen für ein Stück Kauzigkeit ohne banal zu wirken: Pinscher sowieso; die vermeintliche Therapeutin und Angstbekämpferin heißt Anna Leid; ein Dr. Seltsam spielt bei Ermittlungen eine Rolle; und dass bei allerlei ungewöhnlichen Namen ein vereinsamter Witwer ausgerechnet „Herr Maier“ heißt, ist sicher kein Zufall. Ich konnte das Buch sicher auf besondere Weise genießen, da mir die Stadt, in der Martin Becker aufwuchs, vertraut ist. Er macht keinen Hehl daraus, dass das fiktive Mündendorf seine Kleinstadt ist. Dem Autor macht es sichtlich Freude, viele reale Ortsbezeichnungen und tatsächliche Eigentümlichkeiten auf fast jeder Seite einzustreuen. Er seinen lässt Helden in genau der Stadt fast verzweifeln, die ihn selbst prägte. Ein wenig genervt war ich, dass bei der Lektüre Nikotin und Alkohol allgegenwärtig sind (wie in den Geschichten Martin Beckers üblich). Eine Kommunikation ohne Zigarette scheint kaum vorstellbar. Die literarische Notwendigkeit blieb mir fremd. Den fünften Stern gebe ich trotzdem, quasi als Zusatzpunkt für eine Besonderheit. „Kleinstadtfarben“ hat mich in einem Punkt wie selten ein Buch gepackt und berührt - als große Liebeserklärung an die Leben der Eltern.

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