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Rezension zu
Das Kaffeehaus - Falscher Glanz

Eine neue Sicht scheinbar vertrauter Dinge

Von: Norbert Tischler aus Wien
19.07.2021

Nach dem tragischen und unrühmlichen Ende Mary Vetseras und ihres geliebten Kronprinzen Rudolf im ersten Band der Kaffeehaus-Trilogie von Marie Lacrosse liegt jetzt der zweite Band vor, der die Leser*innenschaft wieder in die Endzeit der Habsburger-Monarchie führt. Einen, wie sich bald zeigt, morschen und und in vielen Bereichen dekadenten Staat, dessen oberste Repräsentaninnen und Repräsentanten nach außen hin einer Lebensweise folgen, die durch strenge katholisch-feudale und patriarchalische, militärische Traditionen geprägt ist. So sehr dieser Pomp und Glanz des Kaiserhauses und des Hochadels, der „hoffähigen“ Adelsfamilien, hochgehalten wird, so sehr ist er doch schon längst unterspült von Realitäten, die diese Ordnung hinter der Fassade auf unmoralische, ausbeuterische und korrupte Weise aushöhlen. Hauptprotagonistin des zweiten Bandes ist wieder Sophie von Werdenfels, die Freundin und Vertraute Marys, deren Kenntnis der wahren Hintergründe der Tragödie von Mayerling sie in eine Art „überwachte Existenz“ beim Kaiserhof führt. Heute würde man vielleicht sagen, sie wurde aus dem Leben, das sie liebt, „weggelobt“ und zu einer der Hofdamen der Kaiserin berufen. Das Cafè Prinzess ihres Onkels Stefan Danzer, in dem sie ihr eigentliches Zuhause sieht, wird für sie nun zu einem fast unerreichbaren Sehnsuchtsort. Ohne zu viel zu verraten, kann man sagen, daß sich während Sophies Zeit am Kaiserhof für die Leserinnen und Leser unerwartete, spannende Einblicke in die rastlose, oft zwiespältige Lebenswelt der Kaiserin eröffnen. Das höfische Leben - wie überhaupt die historischen Tatsachen, auf denen der Roman fußt - wurden wie im ersten Band sehr gründlich recherchiert. Die teilweise bestürzenden Geschehnisse und schockierenden Zustände im Zentrum der Macht des Vielvölkerstaates fegen den verkitschten „Sisi“ - Mythos jedenfalls schnell weg und eröffnen einen ungetrübten Blick auf die Realitäten: ehrgeizig verfolgte und beinhart durchgesetzte Interessen der herrschenden Schicht, die ihre scheinheilige Doppelmoral im religiös geprägtem Hofzeremoniell bemäntelt einerseits; eine schamlos ausgebeutete Unterschicht andererseits, die sich in ersten Streiks grundlegende Rechte zu erkämpfen beginnt. Auch Sophies eigenes Leben beginnt sich in eine gefährliche Richtung zu bewegen, als sie die Erwartungen, die an eine junge Komtesse gestellt werden, nicht erfüllen will. Auch die glanzvolle k.k. Armee wird – sehr realistisch – von der ernüchternden und teilweise verbrecherischen Seite gezeigt, die sie abseits der Romantik des „Radetzkymarsches“ vor allem in den entfernteren Gebieten der Monarchie prägte. Beim Lesen ist mir aufgefallen, wie wenig ich über das Leben dieser Kreise bisher wußte - wohl auch, weil ich von der heutzutage allgegenwärtigen Klatschpresse und der Kaiser-Romantik zu abgestoßen war, um mich eingehender damit zu befassen. Abgesehen vom Unterhaltungswert der Berichte über Festivitäten bei Hof, der teilweise sehr strengen, hierarchischen Kleidungsvorschriften und der Konkurrenz um den besten Auftritt, die Wettbewerbe um Präsenz im „Wiener Salonblatt“ (das man übrigens tatsächlich im Internet noch heute nachlesen kann) und die Art und Weise, wie auch hochgestellte Damen oft aus reiner Räson und gegen ihren Willen „gut“ verheiratet wurden, ist das Buch eben auch ein Zeitdokument, das ohne erhobenen Zeigefinger vorführt, was letztlich zum Untergang der „Donaumonarchie“ führen mußte. Es verspricht spannend zu werden, wenn der dritte Band der Kaffeehaus – Trilogie erscheint. Ich werde sicher zu seinen Lesern gehören und freue mich schon darauf, welche Entdeckungen über die Geschichte meiner Heimatstadt ich darin machen werde.

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