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Rezension zu
Der Zug der Waisen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein Stück Geschichte der USA geschickt verpackt

Von: Tintenhain
26.08.2016

„Der Zug der Waisen“ berichtet über die Waisenzüge, die im Zeitraum von 1854 bis 1929 ca. 200.000 Waisenkinder aus den Städten der Ostküste der USA zu Familien in den Mittleren Westen brachten. Eine spannende Thematik, ein Punkt in der jüngeren amerikanischen Geschichte, der mir bisher noch nicht bekannt war. Tatsächlich war ich überrascht, dass die Waisenzüge erst vor ca. 100 Jahren vom Osten Amerikas in den Westen fuhren, um die Menschen dort mit Adoptivkindern oder vielmehr billigen Arbeitskräften zu versorgen. Ich hatte im ersten Moment vermutet, der Roman müsse zu Beginn der Siedlerzeit spielen. Christina Baker Kline bettet ihre Recherchen zu den „Orphan Trains“ in einen leicht lesbaren, interessanten Roman, der in zwei Handlungsstränge gegliedert ist. Im Jahr 2011 in Maine muss Molly, die als Pflegekind von Familie zu Familie gereicht wird, Sozialstunden in der großen Villa der alten Dame Vivian Daly ableisten. Gemeinsam mit ihr räumt sie den Dachboden auf und Vivian wird mit ihrer Vergangenheit als Waisenkind konfrontiert. Sie spürt, dass sie etwas mit der rebellischen, aber gutherzigen Molly verbindet und beginnt aus ihrer Kindheit, die mit dem Tod der Eltern bei einem Wohnungsbrand abrupt endete, zu erzählen. Molly wird immer stärker in Vivians Geschichte gezogen, die sie zum ersten Mal jemandem anvertraut. Der zweite, dominierende, Handlungsstrang führt in die Vergangenheit ins Jahr 1927 als das junge Mädchen Niamh mit ihrer Familie aus Irland nach New York auswandert. Eingezwängt in einer Mietskaserne, der Vater dem Suff verfallen, geht es der vielköpfigen Familie nicht viel besser als zuvor. Es ist jedoch ein Neubeginn. Als Eltern und Geschwister zwei Jahre später ums Leben kommen, beginnt für Niamh ein leben als ungeowlltes Waisenkind. Doch der Aufenathalt im Waisenhaus währt nur kurz. Schon bald startet ein neuer „Waisenzug“ gen Westen und Niamh sieht einem ungewissen Schicksal bei fremden Familien entgegen. Niamh, deren Name im Verlauf der Geschichte von den Zieheltern geändert wird, berichtet aus Ich-Perpektive in der Gegenwartsform, was ein sehr intensives Erleben ermöglicht. Der Erzählstrang in der Gegenwart jedoch wird auktorial erzählt. Niamhs Geschichte versucht das Erleben der Kinder der Orphan Trains aufzugreifen und nachzuempfinden. Die Ängste und Hoffnungen der Kinder während der Reise, die Auswahl durch die neuen Familien, die teilweise einem Sklavenmarkt ähnelte. Es werden unterschiedliche Schicksale, positiv wie negativ erzählt und miteinander verbunden, denn es gab sowohl die Familien, die nur an billigen Arbeitskräften interessiert waren als auch die, die nach Ersatz für ein eigenes Kind suchten. Das Schicksal Niamhs ist bewegend, vor allem weil sie als sehr liebenswerter Charakter dargestellt wird. Ganz ähnlich ist es bei Molly, bei der man den Eindruck gewinnt, dass sie nur ein missverstandenes zartes Pflänzchen ist. In krassem Gegensatz dazu stehen die Pflegeeltern, die ich vor allem in Mollys Fall etwas überzeichnet empfand. Dies mag daran liegen, dass die Autorin Parallelen zu Vivians/Niamhs Vergangenheit ziehen wollte, jedoch vereint hier insbesondere die Pflegemutter alles, was einem zum Thema Ignoranz, Gefühllosigkeit Rassismus und Geldgier einfällt. Ich fand das Buch vor allem wegen des geschichtlichen Hintergrunds, der im Nachwort noch einmal aufgegriffen wird, interessant. Christina Baker Kline erzählt einfühlsam von ihren Protagonisten, immer wieder mit einer gesunden Prise Humor. Der Roman ist gut und flüssig geschrieben und avanciert trotz des schwierigen und teilweise emotional belastenden Themas zu einem richtigen Schmöker. © Tintenhain

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