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Rezension zu
Fleischfabrik Deutschland

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Nichts für Fleischesser mit schwachen Nerven

Von: Michael Lehmann-Pape
24.08.2016

Natürlich ist das inzwischen bekannt, dass Tiere in der Breite nicht unbedingt artgerecht gehalten werden, um den Fleischbedarf der Kundschaft zu bedienen. Und dennoch gilt, gerade in Deutschland: Lebensmittel sollen, müssen billig sein. Wobei jeder, der das kleine einmal eins beherrscht sich leicht ausrechnen kann, wie denn ein Tier aufgezogen worden sein muss, wenn ein Kilo Schwein 6 oder 7, ein Kilo Rind 9-14 Euro kostet, von Geflügel ganz zu schweigen, das nah an „Ramschpreisen“ gerade bei den großen Discountern vorrätig liegt. Nun gilt ebenso, dass „Bio“ schon seit längerem auf dem Vormarsch ist. Aber bei genauerem Hinsehen (und vor allem staatlicher Prüfung), stellt sich auch in dieser Produktionsweise allzu oft heraus, dass getrickst wird, was das Zeug hält und viele der Label in keiner Form das halten, was sie als „biologisch-natürlich“ suggerieren. Hofreiter geht in seinem Buch in dieser Betrachtung übrigens noch deutliche Schritte weiter. Nicht nur legt er in sachlichem Ton Seite um Seite die Fakten der Fleischproduktion, deren Hintergründe und Motive und deren immense Bedeutung für die Wirtschaft vor die Augen des Lesers, sondern greift so tief in die Verhältnisse, dass er gar nicht mehr nötig hat, marktschreierisch oder anderweitig laut auf die tiefen, grundlegenden, Langfristschäden anrichtenden Folgen der Produktion zu verweisen. Dies ergibt sich einfach bereits zwangsläufig aus seinen recherchierten Darlegungen und fundierten Offenlegungen. Und „Produktion“ ist im Übrigen das genau treffende von Wort, von „Tierhaltung“ kann in dieser Sparte der „Grundversorgung“ in keiner Weise mehr geredet werden. Es bleibt fürs erste nur zu hoffen, dass weiterhin das Gros der Konsumenten doch bei klaren Grenzüberschreitungen (wie bei Wiesenhof geschehen), ganz deutlich und klar ihre Marktmacht demonstrieren. Wobei auch dies nur kleine Tropfen auf großen, heißen Steinen darstellen. Denn im Kern schwenkt der Kurs bald wieder zurück und bedauernd wird auf Nachbarländer geschaut, in denen die Lebensmittelpreise teils drastisch höher sind als in Deutschland. Soweit ginge die Tierliebe also erwiesenermaßen nicht, dass dafür deutlich höhere Preise in der Breite der Bevölkerung akzeptiert werden würden. Mit Ursachen eines, wie Hofreiter es nennt, „modernen Raubrittertum“ samt ausgefuchster und lautstarker Lobby, die vor allem im Ausland, wo die Regeln dem Gewinn untergeordnet werden (Hofreiter beschreibt eindringlich die Zustände u.a. in Brasilien), samt dem „Geschäft mit dem Hunger“, denn jeder Cent wird mitgenommen und jedes Druckmittel ist recht. Mit Folgen, die Hofreiter trocken das „sechste Massenaussterben“ nennt und dem „Verstummen der Natur in Deutschland“ präzise auf den Grund geht. „Wachse oder weiche“, das Credo des losgelassenen und nur noch lose an Regelungen hängenden Kapitalismus hat längst seinen immensen Druck auf die Lebensmittelerzeugung ausgeübt. „Fairer Handel statt Hinterzimmerdeals“, Hofreiter bleibt bei Weitem nicht bei der Analyse stehen (die einem allerdings dennoch mehrfach den Magen herumdreht), sondern verweist durchgehend und immer wieder in den einzelnen Kapiteln auf die Alternativen, die durchaus jetzt bereits umgesetzt werden könnten, die tatsächlich Wirkung zeigen würden, an denen aber die Profiteure des Systems (auch die Verbraucher sind gemeint) (noch) keinerlei nachhaltiges Interesse zeigen. Dennoch, es ist zu wünschen, ja, persönlich zu verbreiten, was Hofreiter als „Sechs Schritte für eine grüne Agrarwende“ benennt. Nicht, weil Hofreiter ein verbohrter Ideologe „grünen“ Lebens ist, sondern weil er schlichtweg in der Betrachtung der Fakten recht hat. Mit all den düster im Raum stehenden, drohenden Folgen in mittelfristiger Zukunft, die ihre Vorboten schon in der Gegenwart sichtbar vor die Augen jener führen, die bereit sind, wirklich hinzusehen. Auch wenn Hofreiter schreibt, wie ihm die Worte zufallen und keine wissenschaftliche Abhandlung vorlegt, auch wenn Stil und Form eher informell daherkommen, den Finger auf eine der größten Wunden der Gegenwart legt er präzise dahin, wo die Wunde zu finden ist.

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