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Rezension zu
Die Unglückseligen

Kühne Forschung und düstere Romantik

Von: Larissa - Quietschfideles
10.07.2016

Unsterbliche treffen Leser vor allem in Science-Fiction- und Fantasy-Romanen. Dass sie dort öfters mal auftauchen, hängt wohl mit unserer allgemeinen Faszination mit der Idee eines ewigen Lebens und unserer Abneigung gegenüber dem Tod zusammen. Dass sie in Gesellschafts- oder Liebesromanen eher selten einen Auftritt hinlegen, könnte damit zusammenhängen, dass es der Wissenschaft eben (noch) nicht gelungen ist, den Menschen (oder sonst irgendein Lebewesen) unsterblich zu machen oder zumindest den Alterungsprozess signifikant zu verlangsamen. Was hat also ein verrückter Physiker, der laut Wikipedia zu Beginn des 19. Jahrhunderts verstorben ist, in einem Roman zu suchen, der in der aktuellen Zeit spielt? Die Antwort ist einfach: Autorin und Philosophin Thea Dorn beschäftigt sich in ihrem aktuellen Werk eben mit der Frage nach der Unsterblichkeit und lässt dafür kurzerhand eine historische Persönlichkeit, Johann Wilhelm Ritter, der unter anderem mit Goethe und Alexander von Humboldt verkehrte, auferstehen bzw. einfach weiterleben. © Knaus Verlag„Die Unglückseligen“ beleuchtet in Romanform sowohl die philosophischen als auch die rein wissenschaftlichen Aspekte des Alterns und der (Un-)Sterblichkeit. Das Setting: Eine erfolgreiche und kühne Molekularbiologin mit Namen Johanna reist zu einem Forschungsaufenthalt in die USA, wo sie ihre genmanipulierten Mäuse weiter züchten und immer älter werden lassen kann – um so hoffentlich auch auf das Geheimnis des menschlichen Verfalls zu stoßen und ihn zu stoppen. Doch etwas, besser gesagt jemand, kreuzt Johannas Weg und Pläne: Johann Wilhelm Ritter, ein Mann von unschätzbarem Alter mit schwarzer Wallemähne und weißen Brusthaaren gibt der klar denkenden und pragmatischen Johanna Rätsel auf. Erst recht, als er ihr eröffnet im 18. Jahrhundert geboren worden zu sein und ein damals berühmt-berüchtigter Physiker zu sein, der vor allem mit Galvanisierungsexperimenten am eigenen Leib von sich reden machte. Statt sich mit ihrem eigentlichen Projekt zu beschäftigen, streitet Johanna sich mit dem eigensinnigen Überbleibsel aus vergangenen Jahrhunderten herum und beginnt, sich seiner DNA statt der ihrer Mäuse zu widmen. Die Ergebnisse und all ihre Erlebnisse mit Ritter schockieren und faszinieren sie gleichermaßen. Thea Dorns „Die Unglückseligen“ ist ein spannender Wissenschaftsroman, der auf fiktiver Ebene den aktuellen Forschungsstand in der Molekularbiologie und damit die Versuche der Forscher, das Leben des Menschen zu verlängern, darstellt. Damit stellt der Roman ein umstrittenes Thema in den Mittelpunkt, das uns, so auch Thea Dorns Beweggrund, viel mehr beschäftigen sollte, weil es die gesamte Gesellschaft betrifft und viel schneller Realität werden könnte als wir meinen. Vor diesem Hintergrund präsentieren „Die Unglückseligen“ auch gleich zwei entgegengesetzte Meinungen zum Thema Genmanipulation und Unsterblichkeit: Johanna will die letzten drei Feinde des Menschen, Alter, Krankheit und Tod, abschaffen und hat überhaupt keine ethischen Skrupel. Ritter weiß, was Unsterblichkeit bedeutet – und findet in seinem ewig langen Leben keinen Sinn mehr. Doch die Entwicklungen im Laufe des Romans – sowohl auf der wissenschaftlichen als auch auf der emotionalen Ebene – lassen die erhärteten Positionen beider aufweichen und immer neue Fragestellungen auftauchen. Ich habe den Roman verschlungen, auch wenn ich sonst niemand bin, den Gentechnik großartig interessiert. Eine wirklich klare Meinung habe ich dazu auch nicht – auch (noch) nicht nach der Lektüre dieses Buches. Aber es war überaus interessant, auf diese Art und Weise einen Einblick zu bekommen, auf welcher Stufe sich die Forschung dieses Fachgebiets gerade befindet und was tatsächlich schon möglich ist. Den twist, einen Unsterblichen auftauchen zu lassen, finde ich grandios und dabei eigentlich auch die logische Lösung – wer könnte die Kontraposition besser verteidigen als Ritter? Hinzu kommt hinsichtlich Ritter natürlich noch, dass dieser auch so redet – und sich auch so benimmt – wie eben jemand der zu Goethes Zeiten gelebt hat. Die Ausdrucksweisen, die Thea Dorn meisterhaft auch in jedem wortgewandten Schlagabtausch zwischen Johanna und Ritter wechseln lässt, spiegeln das sehr genau wieder. Sie geben dem Roman neben Authentizität an einigen Stellen eine gewisse Komik, die sich auch aus den gegensätzlichen Charakteren der beiden Protagonisten und ihrer Wortgefechte speist. Ganz nebenbei sei auch noch der Faust-Stoff erwähnt, dem in „Die Unglückseligen“ ebenfalls neues Leben eingehaucht wird: Ritter selbst ist sich ohnehin nicht so sicher, ob seine Unsterblichkeit nicht etwas mit dem Teufel zu tun haben könnte – und selbst die zu Beginn so rationale Johanna ist schließlich fest davon überzeugt, ein Pakt mit Luzifer könne die einzige Erklärung für Ritters beeindruckendes Alter sein, bis hin zu einer faustischen Teufelsanrufung… Einzig und allein das Ende des Romans hat mich nicht ganz überzeugen können. Es ist mir zu offen – die Fragen nach den Gründen für Ritters langes Leben werden nicht beantwortet, genauso wenig gibt es ein genaueres Statement dazu, was denn nun von den Versuchen der Molekularbiologie zu halten ist. In der letzten Szene hauen Johanna und Ritter einfach vor ihrem Schicksal ab – und lassen den Leser mit seinem Kopf voll Denkkonstrukten und Überlegungen zurück. Auch wenn ich zugeben muss, dass gerade das so auch ein Denkanstoß ist, auf dass wir uns alle endlich mit dem Thema auseinandersetzen. Außerdem hätte die Glaubwürdigkeit des ganzen Buches wohl auch darunter gelitten, hätte die Erzählerstimme uns weismachen wollen, Ritter hätte sich tatsächlich selbst unsterblich gemacht – sei es durch radikale Galvanisierungsexperimente oder einen Bund mit dem Teufel. Also: Absolut lesenswert – unterhaltsam, aufklärend und mit einem Ende, dessen Hintergründe man zumindest nachvollziehen kann.

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