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Rezension zu
Das Spiel ist aus

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Die andere Seite der Medaille

Von: Michael Lehmann-Pape
29.06.2016

Vorweggesagt, nicht in allen Geschichten geht es ganz eindeutig ums Verlieren, aber das Verlieren als Lebenserfahrung spielt dennoch die zentrale Rolle in diesem Sportbuch der anderen Art. Wenn Miro Klose in den Blick gerät, nach dem erfolgreichen Endspiel 2014, dann lenkt Gertz den Blick emotional dicht und filigran hintergründig auf den „Verliereranteil“. Die vielen, missglückten Anläufe Kloses, das Raunen von einer „verlorenen Generation“. Niederlagen, die vielleicht erst ermöglicht haben, dass der Stürmer in doch sehr fortgeschrittenem Alter noch einmal alles gegeben hat. Und, wie erwähnt, hintergründig baut Gertz doch einen echten Verlierer in diese Endspiel-Erfolgsgeschichte ein. Sich selbst nämlich. Der Klose jahrelang journalistisch begleitet, interviewt hat, der dachte, ihm nahe gekommen zu sein und nun von Klose gar nicht erkannt wird in der Menge der Journalisten. Solche Niederlagen machend demütig, keine Frage. Oder die „Etappe“ der Niederlage Schweinsteigers bei seinem verschossenen Elfmeter im Championsleague Endspiel. Auch das abgeschüttelt und 2014 im Finale der beste Mann auf dem Platz. Darüber hinaus aber ist das Buch auch gefüllt von Niederlagen, die eben nicht nur „Etappe“ waren, sondern, was die Karriere anging, eher „Endpunkt“. Jürgen Hingsen mit seinen drei Fehlstarts, Boris Becker mit seinen vielfachen privaten Peinlichkeiten, die dazu geführt haben, dass im Heimatland der ehemals über alle Maßen gefeierte, strahlende Held keine gute öffentliche Meinung mehr auf seiner Seite weiß. Mitleid, Mitfühlen und Schadenfreude, das alles kommt zusammen, wenn man den Verlierer beim Verlieren erlebt. Und gerade beim Sport ist der Rückzug in einen Schutzraum ja nicht gegeben, in den sich andere „Verlierer“ erstmal aus der Öffentlichkeit entfernen (Kohl, Beckenbauer werden als Beispiele aufgeführt). Aber eine brasilianische Nationalmannschaft muss ihre 90 Minuten vor aller Augen sich demontieren lassen und kann nicht einfach gehen, Deck drüber und gut ist. Insgesamt, da kann man Gertz nur zustimmen in den vielen Geschichten und Geschichtchen, ist es ein „Glück, dass ein Leben länger dauert als neunzig Minuten“ und damit das Verlieren in einen größeren Zusammenhang kommt, verarbeitet werden kann, eine Episode wird statt das bestimmende Zentrum des eigenen Lebens zu bleiben. Auch wenn manche es „nicht lassen können“ und sich quasi offenen Auges und aus Selbstüberschätzung Niederlagen abholen gehen, wie Henri Maske 10 Jahre nach seinem letzten, echten Kampf oder Franziska von Almsick bei ihren letzten olympischen Spielen. Flüssig zu lesen und auch mit vielen mit interessanten Beobachtungen „am Rande“ führt Gertz das Verlieren und die Verlierer (aus der Welt des Sports) vor, zieht Schlüsse für das Leben an sich (in dem Verlieren viel verbreiteter ist als Gewinnen, selbst bei ehemaligen oder baldigen Gewinnern) und führt den Leser so hinein in den Hintergrund von Personen und Ereignissen, die einen anderen, neuen, frischen Blick vermitteln.

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