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Rezension zu
Richard Wagner

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Beeindruckend in Breite und Tiefe der Darstellung

Von: Michael Lehmann-Pape
09.06.2016

„Die vorausgegangenen Jahre…..hatten gezeigt, dass ihm, dem großen Wagner, eine wirkliche Sinngebung seines Lebens allein nicht gelingen konnte“. Schon mit diesem Satz setzt Drüner ein Ausrufezeichen seiner umfassenden Biographie Wagners, denn die Bedeutung der Gattin, Cosima, kann in seinen Augen gar nicht deutlich und klar genug herausgestellt werden. Wie im Lauf der Zeit eine Symbiose entstand, wie Cosima Wagner am „Image“ ihres Gatten mit allen Kräften mitgewirkt hat, wie sie auch seine Gedanken, seine Haltungen (unter anderem die widerlich zu lesenden antisemitischen) publizierte, das zeigt, wie kongenial die innere Ergänzung dieser Ehe war und wie existenziell wichtig diese Person für Wagner selbst im Raume stand. Und doch war diese Ehe nicht „einfach so“ gegeben, weit davon entfernt. „Er lief in Gefahr, die einzige Frau zu verlieren, die seinem Leben einen Zusammenhang und eine Richtung geben konnte“. Denn unstet war Wagner, zumindest in den frühen Jahren, überaus. Innerlich zumindest. Wie ja schon der Beginn dieser „Lebensbeziehung“ dramatisch in den äußeren Ereignissen verlief, dramatisch aber auch in der zur Schau getragenen Haltung beider. „Dramatisiert“, könnte man sagen und findet damit ein weiteres Stichwort, das wie ein roter Faden die Lebensgestaltung Richard Wagners kennzeichnet. Aus dem Eigenen je ein Drama konstruieren, in die höchsten Höhen sich selbst erheben (und sich eben auch so darstellen und darstellen lassen), Öffentliche Person, privaten Person und Werk verschmelzen so zu einem tatsächlichen Mythos. Eine Entwicklung, die Drüner überzeugend darstellt und die er immer wieder differenziert für den Leser auseinander zu legen versteht. Denn was ist nicht nur „subjektiv wahr“, wie in den vielfachen Dokumenten der „Wagners“ nimmermüde gestreut, sondern was ist objektiv wahr oder zumindest „wirklich“? Eine schwierige Frage, der sich Drüner stellt und erfolgreich stellt. Wobei es ob der Kleinteiligkeit der Darstellung mancher Episoden und mancher Abschnitte im Leben Wagners in diesem Buch auch Konzentration und die Bereitschaft zum abstrakten Mitdenken bedarf. Drüner fordert den Leser durchaus, ohne „abzuheben“ oder zu starken Längen zu neigen. Methodisch folgt Drüner dabei Wagner selbst. Wie dieser in der „Götterdämmerung“ Götter weder zerstört noch verherrlicht, sondern menschlich fassbar werden lässt, so geht auch Drüner den Weg der „Öffnung“ einer bis dato teilweisen „undurchdringlichen Hülle“ um die private Person Wagner herum. Und dazu gehört eben auch (was lange vermieden wurde), die tiefe Bedeutung der antisemitischen Haltung Wagners für seine Kunst zu entdecken und herauszuarbeiten. So geht Drüner nicht nur den Weg, die Person Wagner fassbarer zu gestalten, sondern legt zugleich Interpretationen des Werks zumindest nahe, wenn die ideologischen Kernpunkte klar benannt werden und damit auch Fragen nachgegangen wird, wo denn diese „privaten Überzeugungen“ auch zu Trägern der Botschaft der Werke geworden sind. Ein anregender, sehr spannender Weg, den Drüner sehr fundiert und sehr überzeugend in seiner Interpretation und Argumentation einschlägt. Der aufzeigt, wie Wagner, besser „die Wagners“ mit zunächst dem König, dann dem Führer und (bis heute) dann mit der Demokratie jeweils auch ideologische Volten geschlagen haben, Bündnisse eingingen oder lösten. Haltungen, je eigene „Mythen“ erschufen (passend zur umgebenden Zeit), die ihren Niederschlag immer auch in der Rezeption des Werkes zu jeweiligen Zeiten fand und so ist es gut, dass Drüner ebenfalls hohen Wert auf die Rezeptionsgeschichte legt, um die einzelnen Schichten und Phasen Wagners zu durchdringen und gegeneinander abzugrenzen. Herauskommt ein chronologisch geordnetes Werk, das tief hinter die „künstlichen“ Fassaden von „Kunst und Werk“ und „Verklärung“ Wagners schaut, aber eben nicht ins Gegenteil verfällt und ausschließlich verurteilt, sondern die tatsächlich vielgestaltige Person bestens ausleuchtet. Bis dahin, in bedachter Ruhe nachzuweisen, „dass der Umgang mit einer gefährlichen Ideologie in der Kunst eben doch zu höchster philosophischer, bis ins Religiöse reichender Aussage führen kann“, wie Drüner am Ende des Buches am „Meistersinger“ überzeugend ausführt. Eine umfassende, fundierte, mit weitgehend unvoreingenommenem Blick die breite Quellenlage auswertend, Sicht auf Richard Wagner, die in nächster Zeit sicherlich den Standard der biographischen Werke über Wagner mitbestimmen wird.

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