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Rezension zu
Die Unglückseligen

Warum Einsamkeit schlimmer als der Tod ist

Von: Eva-Maria Obermann
08.06.2016

Wegen Nudels Beinbruch hat es länger gedauert, bis ich meine Rezension zu Thea Dorns Die Unglückseligen fertig hatte. Erschienen ist die Faustadaption bei Knaus mit 560 Seiten 2016. Die Biologin Johanna arbeitet in Amerika an der Unsterblichkeit und fährt dabei immer wieder Rückschläge ein. Da begegnet sie Johann, geboren vor zweihundert Jahren, immer noch lebendig. Schnell macht sie ihn zum Studienobjekt und reist mit ihm zurück nach Deutschland, wo alles angefangen hat. Doch auf der Suche nach den Gründen für seine Unsterblichkeit manifestiert sich der Tod. Johanna und Johan nähern sich an, ihre Beziehung wird intim und das Paar voller Sehnsüchte ist zu allem bereit. Thea Dorn hat es auf atemberaubende Weise geschafft, den Fauststoff gleichzeitig zu modernisieren und doch seinen literarischen Ursprung beizubehalten. Das Vorwort erinnert an Goethes Figur des Dichters, die Faust I voranstand. Johanna als suchender Faust, als Gelehrte ohne Antwort ist schnell bereit, für ihr Ziel alle Mittel zu heiligen. Die Suche nach der Unsterblichkeit wird zur Suche nach dem Teufel, der ebenfalls eine Stimme erhält. Eine großartige Leistung. Nicht immer ganz einfach, aber dennoch grandios im Buch als Werk ist der zweihundert Jahre alte Stil von Johann, seine Berichte und Erinnerungen. Erzählt wird der Roman aus zwei personalen Sichtweisen, einmal zu Johanna, einmal zu Johann. Auffallend dabei ist die dritte Sicht eines Ich-Erzählers, der immer wieder mahnend und klagend einfährt, hofft und plant, aber nicht lenken kann, und sich schließlich als in der Tiefe eingeschlossener Teufel enttarnt. Als für die Protagonisten hoffend wird er dabei vermenschlicht, während Johanna stetig versucht der Endlichkeit zu entkommen. Mit dem Verlauf der Geschichte verschwimmen dann die Konturen. Je mehr Religiosität aufkommt, umso losgelöster von der Realität ist Johanna, umso realer wird der stetig zurückblickende Johann. Hinter der Unsterblichkeit wartet Leid und immer wieder gleiche Schicksale. Der Roman zielt so ellipsenförmig auf das im Grunde unausweichliche Ende zu. Ein gut durchdachter Aufbau und klare Figuren, deren Wandlung wahnsinnig und glaubhaft zugleich ist. Mit Die Unglückseligen schafft die Autorin die Frage nach der Wissenschaft und ihren Vorzügen erneut zu stellen und auf mehreren Ebenen zu behandeln. Die Sterblichkeit als letzte Grenze des Menschen vor dem Göttlichen wird festgezogen und das Glück geradezu banal in der Liebe gesehen. Das einzige Manko vielleicht in diesem großartigen Roman. Am Ende ist es die Zweisamkeit, die Ausschlaggebend ist. Die größte Angst wird im Angesicht nicht etwa der Tod, sondern die Einsamkeit. Kein immer leichtes Buch, aber eines, das sich lohnt, gerade deshalb.

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