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Rezension zu
Die wundersamen Abenteuer der Galina Petrowna

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Atmosphärisch bestens getroffen

Von: Michael Lehmann-Pape
11.04.2016

Wundersame Pilgergänge und seltsame Hundertjährige gab es ja durchaus nicht wenige in den letzten Jahren, nach den Erfolgen der ersten Romane einer solchen Form. Und ja, auch dieses Debüt kann man in ähnlicher Richtung zunächst verorten. Eine (ältere) Frau, die aus ihrem Tagestrott herausgenommen wird (aufgrund ihres (zugelaufenen) Hundes, besser Hündin) und sich mit allerlei anderen Personen auf eine „Queste“ begibt. Eben jene Hündin sicher wieder „nach Hause“ zu bringen. Dennoch bietet dieser Roman keinen Neuaufguss eines alten Themas und auch keine zu offensichtliche Nähe zu anderen Werken solch teils skurriler, seltsamer, abenteuerlicher Wege des Lebens. Sowohl, was die differenzierte und sehr empathische Darstellung der Personen des Romans angeht, wie auch deren Verhältnisse untereinander (die in wichtigen Bereichen durchaus ungeklärt sind, vor allem, was die Liebe, aber auch, was den Hass angeht) bietet Andrea Bennet eine eindrucksvolle schriftstellerische Kraft, die den Leser durchweg im Roman und bei den Personen hält, auch den unsympathischen. Vor allem aber gelingt es der Autorin, die „russische Seele“ bar jeden Kitsches und bar jeder Verherrlichung der Vergangenheit ganz in der Gegenwart erlebbar zu gestalten. Von der Armut unter dem Zaren bis zu den Unruhen unter Stalin, vom unbedingten, fanatischen Einsatz für das System bis zu einem „irgendwie“ Leben im System bis hin zu einer ablehnenden Haltung „all dem“ gegenüber stehen die Personen für die prägende Geschichte des weiten Reiches. Und stehen auch für die Haltungen von Mut bis Hass bis einfacher Feigheit. Und werden sich alle im Lauf der 350 Seiten entfalten und entwickeln. Bis hin zu den Gerüchen, der Ungepflegtheit, auch dem abstoßenden, dass sich vor den Augen eines Besuchers so mancher Orte in Russland auch gegenwärtig noch entfalten würde. Wie Mitja sich in seine (Kraft der sprachlichen Kunst Bennetts unglaublich billig wirkende) Uniform hinein bewegt, wie schon in den ersten Momenten seines „Auftritts“ die ganze Zwiespältigkeit, das Gefühl von Minderwertigkeit ausstrahlende, sich unbedingt an „etwas Höheres“ hängen müssen, um sich wichtig zu fühlende Konglomerat seiner Persönlichkeit zutage tritt, wie man umgehend erfährt, dass vielleicht die Ursache all dieser zwanghaften Verkrampfung doch nur im gestörten Verhältnis zum anderen Geschlecht zu finden ist, dass gelingt Bennet, emotional dicht in wenigen Seiten zu vermitteln. Und das ist nun beileibe kein Offizier oder zumindest „harter Kerl“, sondern ein einfacher Hundefänger mit deutlich zu viel selbst ernannter Wichtigkeit. Wie auch Galina Petrowna in wenigen Zeilen lebhaft vor den Augen des Lesers ersteht. Da reicht bereits ohne jeden Dialog das „Kennenlernen“ der dreibeinigen Hündin Boroda. In dessen Zuge ebenfalls mit ein bis zwei Sätzen nur der verdreckte, ungepflegte Imbiss und das direkte Umfeld um diesen einen ersten klaren Punkt zum russischen Leben, zum Alltag in der Gegenwart liefert. Dem einige Seiten später kontrastreich der „Altenclub“, die bärbeißige-liebevolle Galina inmitten dieses Clubs und der fürsorgliche, aber irgendwie zu nichts richtig zu gebrauchende, zunächst wenig „Standing“ ausstrahlende Wasja. Diese drei, Galinas beste Freundin Soja und noch viele weitere Personen werden den Weg des Romans säumen, wenn es gilt, die kluge, friedliche, dreibeinige Hundedame wiederzufinden. Die verschwunden ist. Woran Mitja die Verantwortung zufällt. Eine äußere und innere Reise durch die gegenwärtige russische Föderation, in der einem die Lebenswirklichkeit, die Prägungen, die Merkwürdigkeiten geschickt in all den Personen angelegt nahekommt. Auf einem allerdings nicht immer gerade laufenden Weg, bei dem es manchmal nicht einfach fällt, die rote Linie der Ereignisse im Kopf zu halten, sowie an manchen Stellen ein Abgleiten fast in eine Art Slapstick, das eher stört denn für anregenden Humor sorgt. Aber auch eine Geschichte, in der, zum Schluss hin, das Sentimentale und die Liebe in überraschender Weise seinen Platz findet und der Lesefluss allezeit in gleichmäßigem Tempo ohne „Durchhänger“ den Leser in den Bann zieht.

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