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Rezension zu
Eine Frage der Würde

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

In überzeugter Haltung

Von: Michael Lehmann-Pape
21.03.2016

Haltung ist durchaus ein Kernelement dessen, was dem Rechtsanwalt Guerrieri wichtig ist. Sei es vor den Richtern des Landes, sei es im privaten jener besonderen, Motoradfahrenden Ermittler gegenüber (die einen Baseballschläger natürlich bei sich führ, wer weiß, wofür dieser gut sein kann), derer Dienste sich Guerrieri öfter bedient (und die auch in seinem neuen Fall wichtig für ihn ist). Sei es den Unterschied von schuldig, aufgrund mangelnder Beweise nicht schuldig oder wirklich unschuldig fein herauszuarbeiten. Wie sich direkt im ersten Plädoyer, in der ersten Zeugenvernehmung, im ersten Fall erweist, den der Leser zu Anfang an der Seite des italienischen Anwalts mitverfolgt. Allein, geschieden, hier und da mit der Frage beschäftigt, ob das wirklich alles noch das „richtige“ Leben für ihn ist, lernt der Leser aber schnell auch die anderen, leicht wankende, weiche, sich selbst gegenüber unsichere Seite Guerriieris kennen, die diese liebevoll angelegte und differenzierte Person so sympathisch gestaltet. Ruhig erzählt Carofiglio, lässt viel italienische Atmosphäre mit hineinfließen, verweist in dezenten Bildern auf die Schönheit des Meeres, die elegante Lebenshaltung, um dann, wie in einem scharfen Kontrast, das Kriminelle, das menschlich-allzu menschliche, bereits im Hintergrund lauern. Das in dieser langsamen Erzählweise und in der Sorgfalt, die der Jurist Carofiglio auf die Hintergründe des Falles verwendet (tatsächlich muss man für einige Seiten durch die Augen Guerrienis Fallakten mitlesen) nicht immer Hochspannung im Raume steht, versteht sich von selbst. Aber zum Ende hin lohnt sich eben diese gründliche Vorbereitung für die verzweigten Fäden, die auf privater Ebene und im Blick auf den Fall eines der Korruption verdächtigen Richters am Ende dann doch spannend und mit Tempo zusammengeführt werden. Ein Richter, den Guerrieni aus Jugendtagen kennt, einer, den er zunächst von jedem Makel „reinwäscht“, aber auch einer, bei dem sich der Anwalt am Ende der ersten Zusammenarbeit nicht wirklich sicher ist, ob vielleicht er selbst und nicht die Staatsanwaltschaft sich getäuscht hat. Was keine Ruhe lässt und ihm ebenfalls Gelegenheit gibt, seine Ermittlerin noch länger (und näher) vielleicht kennenlernen zu können. Ein ruhiger, in sich geschlossener und, was Personen und Fall angeht, sehr gründlicher Kriminalroman, der angenehm ohne zu viel Blut, Mord oder ausufernde Brutalität auskommt (sieht man von den Boxkünsten des Anwalts einmal ab). Und in dem es ebenso wohltuend ist, eine Haltung vorgeführt zu bekommen, die eben nicht den „modernen, vernünftigen Erwachsenen“ ergibt, der nur auf seinen Vorteil schaut und sich ansonsten aus allem heraushalten will.

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