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Rezension zu
Die Unglückseligen

Thea Dorn: Die Unglückseligen

Von: Marina Büttner
09.03.2016

Welch ein Höllentrip! An Einfallsreichtum mangelt es Thea Dorn jedenfalls nicht. Die Humangenetikerin Johanna Mawet forscht als Molekularbiologin über die Unsterblichkeit. Experimente mit Mäusen sind bereits erfolgreich, was eine Lebensdauerverlängerung angeht. Doch Johanna treibt es in Richtung Menschenexperiment. Eine lockerere Herangehensweise als das konservative Deutschland bietet da ein Institut in den USA und so zieht Johanna los, um im Land der unbegrenzten Möglichkeiten endlich den ersehnten Durchbruch zu schaffen. Kaum angekommen, begegnet sie einem merkwürdigen Typ, der in einer sehr altertümlichen Art und Weise Deutsch spricht. Es handelt sich um den Physiker Johann Wilhelm Ritter der im Jahre 1776 geboren wurde und der mit Brentano und Novalis bekannt war und selbst Goethe begegnet ist. Zu Zeiten forschte er über den Galvanismus und scheute auch vor Selbstexperimenten nicht zurück, starb allerdings (eigentlich) bereits 1810. In Thea Dorns Roman jedoch ist er unsterblich, selbst Selbsttötungsversuche scheitern, Wunden heilen wie von selbst, verlorene Gliedmaßen wachsen nach. So geistert er rastlos durch die Zeiten und ist mittlerweile todunglücklich, vor allem auch über die Entwicklung der Menschheit und wünscht sich nichts sehnlicher als zu Sterben. Während sich Ritter im Laufe ihrer Begegnungen in Johanna verliebt, betrachtet sie in als willkommenes Forschungsobjekt. Zunächst glaubt sie im kein Wort, dann lässt sie mit seinem Blut eine Genanalyse machen und stößt tatsächlich auf deutliche Abweichungen zur Norm. Die Kollegen im Institut werden jedoch schnell misstrauisch und so reist sie mit Ritter zurück nach Deutschland und hält ihn bei sich vor der Außenwelt versteckt. Johanna geht in ihrem Ehrgeiz so weit, von Ritter überwachte Selbstversuche mit Elektrizität zu machen, weil sie glaubt, dass das möglicherweise der Weg zur Unsterblichkeit ist. Danach startet sie auch für sich eine Genanalyse. Die Ergebnisse, die dabei herauskommen, lassen sie allerdings dann auch am Sinn der wissenschaftlichen Forschung (ver)zweifeln … Die Dispute der beiden Protagonisten sind köstlich und machen den Roman sehr kurzweilig, besonders auch aufgrund von Ritters, der deutschen Romantik gemäßen Sprache: Ritter, der bei allem Forschungsdrang auch zweifelt, die spirituelle Dimension sieht, an das Göttliche glaubt versus Johanna, die Nüchterne, die an nichts außer Verstand und Fortschritt glaubt. Und dann ist da noch die Stimme aus dem Off, die in Versen spricht – mags der Satan selbst sein? Auch an Spannung mangelt es nicht, denn wie kann solch eine haarsträubende Geschichte wohl ausgehen? “Blicken Sie sich um auf der Welt! Wie mögen Sie da ernstlich behaupten, der Mensch sei fortgeschritten auf dem Wege der Natur- und Selbsterlösung? Botschaften jagt ihr von einem Erdteil zum andren; ihr durchfliegt die Lüfte, durchmesst das Weltall, lasst die Nacht heller leuchten als den Tag – allein zu welchem Zwecke? Herrscht eine neue Harmonie, ein neues Glück? Nicht minder elend seh ich die Menschen denn zu meinen frühern Tagen.” Die Geschichte ist wirklich sehr schräg, gleichsam sehr besonders auch in ihrer Form. Ich habe sie mit großem Vergnügen gelesen. Es ist ein Pendeln zwischen deutscher Romantik (Ritter ist keine erfundene Figur) und heutiger aktueller Biowissenschaft. Und dem ewigen Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft. Und der Frage: Ist Sterben sinnvoll, damit das Leben wertvoll ist? Gibt es Gott, der alles geschaffen hat oder ist alles Evolution? Was bringt es dem Menschen wirklich alles zu erforschen? Zerstört er sich damit selbst?

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