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Rezension zu
Der Psychopath

Vaterpflichten

Von: Rezifeder
08.03.2016

Der elfjährige Sam ist ein schwieriger Junge, das haben seine Eltern Chris und Charlotte schon früh gemerkt. In der Schule ist er ein Außenseiter, er reagiert oft aggressiv und zeigt kaum Empathie. Allerdings gehen seine Eltern unterschiedlich damit um: Während Charlotte Verständnis zeigt und glaubt, dass Sam in erster Linie durch Mobbing so reagiert und ihm eine Therapie helfen kann, hält Chris seinen Sohn für einen unheilbaren Psychopathen, der mit der Zeit immer schlimmere Dinge tun wird. Der Höhepunkt ist erreicht, als Sam seiner Katze den Bauch aufschlitzt. Seine Mutter nimmt ihn nach wie vor in Schutz, doch Chris sieht in seinem Sohn einen zukünftigen Mörder. Der familiäre Konflikt eskaliert, Charlotte verlässt ihren Mann und zieht mit Sam in eine eigene Wohnung. Kurz darauf erscheint eine völlig aufgelöste Charlotte auf dem Polizeirevier. Chris hat Sam von der Schule abgeholt, und die beiden sind unauffindbar. Charlotte ist überzeugt davon, dass Chris seinen Sohn umbringen will. Eine fieberhafte Suche nach den beiden beginnt ... Bewertung: Psychopathen begegnet man in Thrillern alle naselang, auch jugendliche oder kindliche Psychopathen hat es in Büchern und Filmen schon gegeben. Recht originell an Bram Dehoucks Werk ist dagegen, dass es hier weniger um die kriminellen Taten jenes Psychopathen geht als vielmehr um den geplanten Mord an ihm durch den eigenen Vater. Spannung ist von Beginn an gegeben und sie hält sich auch durchgängig bis zum Schluss. Für den Leser stellen sich vor allem die Fragen, ob die Polizei Chris und Sam noch rechtzeitig finden und ob Chris sein Vorhaben wirklich durchzieht oder vielleicht von selbst ablässt. Offen ist zudem, wie lange Chris seinen Plan vor Sam verbergen kann und wie sein Sohn reagiert, wenn er die Gefahr erkennt. Des Weiteren wird nach und nach Chris' brisante Vergangenheit aufgedeckt. In Rückblenden zeigt sich, dass er als Kind ganz ähnliche Verhaltensweisen zeigte wie sein Sohn, und man darf gespannt verfolgen, was sich alles für düstere Taten bei Chris offenbaren. Die Grundkonstellation, dass ein Vater seinen Sohn umbringen will, schockiert und bewegt gleichermaßen. Man kann Chris kaum wünschen, dass ihm sein Plan glückt; zugleich begreift man aber auch, dass er tatsächlich der Meinung ist, das einzig Richtige zu tun. Er weiß nur zu gut, wie gefährlich die Anlagen sind, die sein Sohn bereits mit elf Jahren zeigt, und er will Sams Umwelt schützen. Sam ist clever und versteht es, Psychologen durch seinen Charme zu täuschen. Niemand außer Chris sieht, wie gefährlich Sam wirklich ist, niemand außer ihm begreift den Ernst der Lage. Weder von Sams Mutter noch von therapeutischer Seite ist Hilfe zu erwarten - die Verzweiflung und die Angst des Vaters sind gut nachzuvollziehen, und doch kann man ihm kaum guten Gewissens wünschen, dass er seinen Sohn ermorden wird. Dieses moralische Dilemma hat durchaus das Potenzial dafür, nach er Lektüre noch ein bisschen weiterzuwirken und im Gedächtnis des Lesers haften zu bleiben. Das Ende kommt schnell daher, und trotzdem ist es zufriedenstellend und vor allem wirkungsvoll. Gewiss hätte man die Handlung noch ein wenig weiterführen können, doch alles Wichtige wird gesagt, alle relevanten Fragen werden beantwortet - und letztlich bleibt nach Abschluss das Gefühl, der Roman hätte auch nicht anders enden dürfen. Der Stil ist geradlinig, erfordert keine große Konzentration und beschert eine flüssige, schnelle Lektüre. Es ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, dass zwischen mehreren Strängen hin und her gesprungen wird: In der Gegenwart begleitet der Leser einerseits Chris und Sam, andererseits wird immer wieder zu Charlotte und den Ermittlern geschaltet, die sich zur gleichen Zeit Charlottes Geschichte anhören und nach Chris und Sam suchen. Andere Kapitel springen zurück in die Vergangenheit und zeigen Szenen aus dem Alltag der Familie, in denen sich Sams Andersartigkeit verdeutlichte. Und schließlich gibt es noch die Kapitel, die noch weiter in die Vergangenheit gehen und Einblicke in Chris' Kindheit gewähren: Hier sieht der Leser, dass Chris so sensibel auf die Taten seines Sohnes reagiert, weil er sich selbst darin wiederfindet und daher viel früher als seine Frau merkt, wie gefährlich Sam einmal werden kann. Während das Werk in Sachen Spannung sehr überzeugt, gibt es Schwächen bei den Charakteren. Nur von Vater Chris erhält man ein detailliertes und komplexes Bild, seine Frau und insbesondere Sam, der ja eine zentrale Rolle spielt, bleiben blass. Sowohl Charlotte als auch Sam wirken eindimensional; Charlotte schlägt sich ausnahmslos auf die Seite ihres Sohns und ist blind für Chris' Sichtweise, bei Sam wiederum ist es schade, dass seine charmante Seite ehe behauptet als gezeigt wird. Der Leser erfährt zwar, dass es Sam gelingt, Erwachsene um den Finger zu wickeln und zu täuschen, erlebt dies aber in der Regel nicht mit. Gewiss hätte es dem Roman gutgetan, Sam noch ein wenig interessanter zu präsentieren. Fazit: Ein unterhaltsamer Thriller, der sich schnell lesen lässt, eine reizvolle Thematik mitbringt und durch Spannung überzeugt. Kleine Abzüge gibt es für die größtenteils zu flachen Charaktere, deren Potenzial nicht ausgeschöpft wird.

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