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Rezension zu
Himmel ohne Sterne

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

*+* Das Gelobte Land bleibt ein Traum *+*

Von: Irve liest
03.11.2015

Liebe Lesefreunde, sehr selten hat mich ein Roman derart erschüttert und stellenweise verstört wie „Himmel ohne Sterne“. Wie es den jüdischen Menschen im Zweiten Weltkrieg ergangen ist, muss ich niemandem sagen. Ich war bis vor kurzem so blauäugig zu glauben, dass sich in der Zeit danach die Lage ein wenig entspannt hätte. Aber weit gefehlt. Während des Zeitraums von September 1946 bis Juni 1948 begleitet der Leser einige junge jüdische Menschen. Junge Menschen, die trotz ihres relativ geringen biologischen Alters schon uralt waren. Was die Reife betrifft. Und die Abgestumpftheit. Die Abgeklärtheit. Es gruselte mich wirklich, wie sie manche Dinge sahen, wie wenig ihnen ihr Leben wert war, bzw. wie leichtfertig sie bereit waren, in den erneuten Kampf zu ziehen und sich wieder den Gefahren des Todes auszusetzen. Aber wer schon tot ist, kann schließlich nicht mehr sterben. „Was schon zerbrochen ist, kann nicht mehr zerbrechen.“ Waren sie tapfer, oder hatten sie sich selbst bloß schon längst aufgegeben und sahen in ihrem leeren Leben – innerlich ausgebombt von den unmenschlichen Erlebnissen der letzten Jahre – nur noch den einen Sinn, sich für ihr Volk einzusetzen, und für die späteren Generationen endlich ein akzeptiertes und legalisiertes Land zu erkämpfen? Während des Lesens und auch jetzt beim Niederschreiben meiner Gedanken war und bin ich innerlich mehr als aufgewühlt, fassungslos und entsetzt. „Gott ist kein Strippenzieher und der Mensch keine Marionette an göttlichen Fäden. Die völlige Freiheit, die uns gegeben wurde, lässt auch grenzenlos Böses zu.“ Diese Frage besteht zwar fast schon seit der Existenz der Menschheit, aber ich fragte mich so oft während des Buches, wie Menschen so gegenüber anderen sein können. Es ging mehr als nur darum, es „besser“ zu haben als die anderen, oder ihnen eins auszuwischen. Wie kann man Menschen derart hassen, dass man ihnen das Glück nicht nur verwehrt, sondern sie extra und sehr bewusst ausgrenzt und bekämpft als wären sie lästige Schädlinge? Man kennt sich nicht persönlich, kann also nicht wissen, welche Schätze an Menschen man nur einer Ideologie, eins höheren Befehls, wegen vernichtet. Meine Verweiflung während des Lesens wuchs mehr und mehr. Die wenigen kleinen Lichtblicke waren nicht wirklich stimmungsaufhellend... „Und sie war eine Träne in diesem Ozean, sie zählte zu diesem gewaltigen Strom der Entwurzelten, die durch das Land irrten, ohne Familie – und ohne Hoffnung.“ Leah reist nach dem Krieg durch das zerbombte Deutschland. Die Bahn bringt sie überallhin, ruhe- und rastlos schafft die junge Frau es endlich, wieder „nach Hause“ zu fahren. Doch auch München ist ihr fremd, die Familie vergast, die Freunde tot oder in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Glücklicherweise trifft sie auf Jannek, einen Nachbarsjungen aus ihrer Kindheit. Sie beschließen, diese schwere und ungewisse Zeit „gemeinsam einsam“ zu bestreiten – ein Ausdruck, der keiner weiteren Erklärung bedarf und die schwierige Situation auf den Punkt bringt. Im zerstörten Deutschland sehen die beiden keine Zukunft für sich, noch immer werden sie als Ausgestoßene behandelt – ihr Traum ist es, nach Palästina zu gehen, in ihr Land. Auf ihrem Weg treffen sie ganz zufällig auf Leahs Cousine Sophie und deren Familie, die dasselbe Ziel haben wie das gemeinsam einsame Paar. Die Freude über die wiedergefundene Familie währt allerdings nur kurz, denn der Weg ist hart, die Probleme scheinen an vielen Stellen unüberwindbar. „Beim ersten Mal ist Sterben schwer. Danach wird es jedes Mal ein wenig leichter.“ Nach vielen Strapazen, weiteren Ausgrenzungen und erlittenem Schmerz erreichen sie dann doch noch ihr Ziel – und wieder kommen sie nicht wirklich an und der Kampf beginnt erneut, und wieder, und immer wieder. Selbst ein Sieg ist eine Niederlage. Der Jugendroman besticht neben seiner unglaublichen Nähe zu den Protagonisten und seinem klaren Stil durch eine umfangreiche Recherche. Rainer M. Schröder erklärt per Fußnote unbekannte Begriffe und gibt in seinem Nachwort weitere umfangreiche Erläuterungen. Haben mich die Schicksale von Leah, Sophie und vielen anderen schon sehr berührt und verzweifeln lassen, schmerzte mich der Protagonist Jannek am meisten. Schon an seinem Verhalten, seinen Äußerungen ließ sich erkennen, dass er Leid für viele Leben ertragen musste. Sein tiefer Zynismus war für ihn das Ventil, mit dem Erlebten fertig zu werden. Als er dann immer mal wieder Einblicke in seine letzten Jahre gewährte, lief es mir kalt den Rücken herunter. Wie kann man so etwas ertragen, ohne daran zu zerbrechen? Wie schafft man, es, weiterzuleben? Oder sollte ich besser sagen zu vegetieren? Jannek ging aus dem Zweiten Weltkrieg als lebende Hülle hervor. Sein Geist völlig verstört und zerstört, verzweifelt bemüht, zu leben, zu empfinden....... „Wir müssen lernen, uns zu lieben! Nicht nur gegenseitig, sonder auch wieder uns selbst.“ Aktiv oder passiv lesen? Schafft man es, eine gewisse Distanz zu bewahren? Oder lässt man sich darauf ein und fühlt sich in die Gruppe hinein und durchlebt mit diesen Menschen ihr Schicksal? Auch wenn ich nicht persönlich betroffen bin, war es sehr schmerzhaft zu lesen, wie unwillkommen das jüdische Volk überall ist. Und die Zeichen für die Zukunft stehen leider wieder mehr auf Sturm, wie der Autor in seinem Nachwort leider bestätigt. Inhaltlich empfinde ich diesen Jugendroman nicht als jugendfrei, aber was heißt das schon? Die Betroffenen hat auch niemand gefragt, ob sie ihr Schicksal wollen oder nicht. „Himmel ohne Sterne“ halte ich trotz der ungeschönten und ungefilterten Schilderungen für ein sehr wichtiges Buch. Ich hoffe sehr, dass die Lesejugend auch bereit für solche unbequemen Bücher ist und sich mit ihnen auseinandersetzt. Bücher können Brücken bauen und wenn sie mit Wissen und Verständnis gepolstert sind, besteht ein Funken Hoffnung, dass die Zukunft doch heller ausfällt als es im Moment scheint. Inhalt: Alija Bet – das ist der Codename für die illegale Einwanderung in das britische Mandatsgebiet Palästina. Und es ist der Hoffnungsschimmer am Horizont für Leah und Jannek – die beide als einzige ihrer Familien die KZs überlebt haben und nun 1946 traumatisiert als lebende Tote durch das zerbombte München ziehen. Sie hören von der gefahrvollen und teuren Überfahrt auf überfüllten Schrottdampfern, den vielen ertrunkenen oder in Internierungslagern der Briten inhaftierten Flüchtlingen, den Kämpfen mit den arabischen Einwohnern vor Ort. Aber sie haben keine Alternative. Und so machen sich die beiden als illegale Flüchtlinge auf den Weg über das Mittelmeer – mit der Hoffnung auf eine neue Heimat. Das Buch: „Himmel ohne Sterne“ von Rainer M. Schröder ist im Oktober 2015 unter der ISBN-Nr. 978-3-570-17222-3 im cbj-Verlag erschienen. Es umfasst 576 Seiten und ist auch als eBook erhältlich. Der Autor: Rainer M. Schröder, 1951 in Rostock geboren, ist einer der profiliertesten deutschsprachigen Jugendbuchautoren. Mit seinen bis ins kleinste Detail exakt recherchierten und spannend erzählten historischen Jugendromanen begeistert er seit mehr als zehn Jahren seine Leserschaft. Nachdem er viele Jahre ein wahres Nomadenleben mit zahlreichen Abenteuerreisen in alle Erdteile führte, lebt er heute mit seiner Frau an der Atlantikküste von Florida. Quelle: Randomhouse http://www.randomhouse.de/Buch/Himmel-ohne-Sterne/Rainer-M-Schroeder/e478404.rhd

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