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Rezension zu
Das andere Berlin

Ein spannender Blick über alle Wissenschaften hinweg

Von: Ponine T.
02.10.2015

Homosexualität gibt es, seit es Menschen gibt. Die Auseinandersetzung jedoch damit und die Entstehung einer homosexuellen Identität, d.h. eines Bewusstseins, homosexuell zu sein und dies als von der Natur gegeben zu empfinden, ist eine Idee der Neuzeit, um genau zu sein des ausgehenden 19.-Jahrhunderts. Und diese Bewegung der Identifikation nimmt ihren Ausgang ausgerechnet in Berlin, der Hauptstadt Preußens und später des Deutschen Reichs. Hier wird, so die These Robert Beachys, Homosexualität erfunden. Mich hat das Buch, das ich gratis als Rezensionsexemplar ausgesucht habe, von Anfang an fasziniert. Ich wusste, dass in Berlin in den Zwanziger Jahren eine realtiv offen existierende homosexuelle Kultur gefunden werden konnte, aber Beachy geht noch weiter zurück und folgt der Frage, wie in Deutschland zwischen 1871 und 1933 Homosexualität allmählich wissenschaftlich betrachtet wurde und wie sich das Bild vom Sexperversling zur anders-orientierten Sexualität entwickelte. Dabei geht er nicht nur historisch vor, sondern arbeitet eben auch sozilogisch, juristisch und greift medizinische Diskussionen auf. Er wertet Akten und Quellmaterial aus und leitet mich als Leser durch diese Thesen. Sehr gut gefallen am Buch hat mir, dass Beachy es schafft, trotz eines streng wissenschaftlichen Vorgehens und eines sehr sachlich-forschenden Schreibansatz nie trocken zu klingen, sondern mich abzuholen und mir z.B. das Verständnis vom Begriff "Identität" zu vermitteln, das man benötigt, um seinen Thesen zu folgen. Ich hab das Buch ohne weiteres abends nach langen Arbeitstagen lesen und trotzdem alles nachvollziehen können. Das liegt auch an den gut ausgewählten und erzählten Beispielen, mit denen die Thesen unterstützt werden. Dieses Buch ist absolut empfehlenswert, wenn man sich für Geschichte oder Soziologie interessiert. Darüber hinaus hilft es dabei, ein Verständnis zu entwickeln für homosexuelle (Sub-)Kultur und die Frage nach dem Umgang der Mehrheitsbevölkerung mit Schwulen. Weniger mit Lesben, wie Beachy selbst betont, diese Geschichte muss noch wissenschaftlich untersucht werden - das ruft doch einfach nach Band 2. Alles in allem also totale Empfehlung von mir und vielen Dank an den Siedler-Verlag für dieses Buch :-)

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