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Rezension zu
Der Vater

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Sozialstudie in Thrillerform

Von: Michael Lehmann-Pape
28.08.2015

Es ist Teil der eigenen Biographie, den Stefan Thunberg hier gemeinsam mit dem bekannten Kriminalautor Anders Roslund verarbeitet, Teil der eigenen Familiengeschichte. „Ich bin kein Eisstiel“! So sagt es der mittlere der drei Brüder, Felix, als ihn die Polizei verhört. Weil sein Vater, wieder einmal, seinem Naturell entsprechend, die Wut, die Gewalt, die Brutalität in sich selbst nicht beherrscht bekommen hat. Und nun über das Maß hinaus die Mutter der drei Brüder, seine Frau, „ausräuchern“ wollte. Britt-Marie, die es gewagt hat, ihn zu verlassen. Zerschlagen und zerschunden von seinem „Auftritt“ einige Stunden zuvor. Fünf Eisstiele, die man nicht zerbrechen kann, wenn sie aufeinander liegen, während ein einzelner Eisstiel leicht zerbricht. Das ist die Lektion des Vaters: Zusammenhalten. Keiner wird verraten. Komme, was da wolle. Und sei es ein Mordanschlag auf die eigene Ehefrau. So wuchsen Leo, Felix und Vincent bis dahin auf. Bis der alkoholsüchtige Vater festgenommen wird und für einige Zeit Ruhe einkehrt. Doch die Lektionen sitzen tief. Härte, sich wehren, zuerst zuschlagen, nie mehr abhängig sein von anderen, Jahre später werden diese Grundwerte und Gedanken der drei Brüder die Ursache für ihren „Zug durch die Banken“ des Landes sein. „Leo wartet reglos. Schließt die Augen, hofft, dass es verschwindet“, dieses wimmernde Geräusch aus dem elterlichen Schlafzimmer, in dem die Mutter liegt. Nie wieder so ausgeliefert, das wird zu Leos Maxime, als er erwachsen wird. Ausgerüstet mit einem großen Arsenal von Waffen, perfekt geplant (auch wenn an entscheidender Stelle bei jedem der Überfälle nicht genug Beute zusammenkommen wird, um den ganz großen Wurf zu landen), einen militärisch erfahrenen Jugendfreund an der Seite, setzen die Brüder Schweden in Angst und Schrecken. Bis auf den Kriminalinspektor John Broncks. Der einzige der ermittelnden Polizisten, der schon früh ahnt, wie es läuft. Der Gewalt, Messer, Mord aus der eigenen Jugend kennt. Der aus dem gleichen Stoff gewebt ist, wie Leo, der Anführer der Räuberbande. Der sich hineinversetzt, der Paroli zu bieten versteht. Und doch von einem Zufall, einer Wetterkapriole abhängig sein wird, um wirklich einen Faden in die Hand zu bekommen. Aus drei Perspektiven hauptsächlich, jener Leos, jener der Vergangenheit und des Aufwachsens der Brüder und jener des Inspektors Broncks erzählen die beiden Autoren stringent und in sich geschlossen jene wahre Geschichte in literarischer Form. Breit und in der Tiefe werden dabei die Personen ausgeleuchtet, der innere Antrieb, die Ängste, die Pläne miteinander vernetzt, bis lebendige Lebensbilder entstehen. Zu denen der Streit unter Brüdern und das unbewusste dem Vater Nacheifern ebenso gehört, wie die Abgeschlossenheit Beziehungen gegenüber, die John Broncks mit kühler und harter Fassade vor sich herträgt. Charakterliche Eigenschaften, die menschlich auf allen Seiten auf seelischen Beschädigungen aus der Kindheit und Jugend her rühren und die menschlich einen hohen Preis einfordern. Der bei allen Beteiligten sehr ähnlich ist, auch wenn sie auf verschiedenen Seiten des Gesetzes agieren. Über weite Strecken hinweg liest sich dabei dieses Buch wie eine Dokumentation, wie ein Bericht. Leider gelingt es den Autoren eher selten, die Atmosphäre in einer emotionalen Dichte anzulegen, den Leser mit hinein zunehmen durch Andeutungen, Spannungsbögen oder ähnlichem. Natürlich zuckt es bei er Lektüre gewaltig, wenn Ivan seine Frau fast zu Tode schlägt, aber auch in dieser Szene sind es eher die beschreibenden Bilder, welche die Emotionen entstehen lassen, nicht das innere Erleben der Mutter, die Steigerung der Angst, die dann auch beim Leser verfangen würde. Alles in allem ein gradliniger, sehr interessanter, in der Psychologie der Figuren umfassend nachgehender Bericht mit Thriller-Elementen, der weniger auf der Spannung der Ermittlungen oder auf Action aufbaut, sondern den Leser dafür durchgehend mit hinein nimmt in ein Umfeld der Gewalt, der inneren Verletzungen, des Trotzes und der Verzweiflung bis hin zum Versagen gerade der Person, die immer für Klarheit und Härte stand. Akribisch arbeiten die Autoren die wahren Ereignisse auf und verfolgen den Weg einer der skrupellosesten Verbrecherbanden Schwedens.

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