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Rezension zu
Roter Nebel

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Tiefenpsychologische Machtthriller aus Dänemark! Lars Winkler ermittelt wieder.

Von: Floh
25.08.2015

Nachdem ich begeistert schon eine große Bandbreite und Themengebiete der skandinavischen Spannungsliteratur diverser Autoren und Gebiete gelesen habe, so war ich besonders auf den mir bisher noch unbekannten Autor Jakob Melander und seine Reihe um Ermittler Lars Winkler mit seinem zweiten Fall „Roter Nebel“ gespannt. Da ich schon sehr viele sehr erstklassige und spannende Thriller aus Skandinavien gelesen, gar verschlungen habe, und ich dieses Genre einfach zu sehr liebe, war meine persönliche Messlatte dementsprechend hoch, doch enttäuscht wurde ich hier nicht, obwohl das Buch gewiss auch kleinere Schwächen aufweist. Erschienen im Goldmann Verlag (http://www.randomhouse.de/goldmann/) Zum Inhalt: "Mitten in der heißen Wahlkampfphase wird Kopenhagens Oberbürgermeister Mogens Winther-Sørensen tot in seiner Wohnung aufgefunden. Einzige Zeugin ist die junge Prostituierte Serafine. Sie leugnet, etwas mit dem Mord zu tun zu haben, und streitet zudem jeden sexuellen Kontakt mit dem Opfer ab. Und auch bei den Ermittlungen im Umfeld des Politikers stößt Kommissar Lars Winkler auf eine Mauer des Schweigens. Insbesondere die Mutter des Toten versucht, jegliche Nachforschungen in der Vergangenheit ihres Sohnes zu unterbinden. Doch nach und nach kommt Lars Winkler den schrecklichen Ereignissen von damals auf die Spur" Zur Handlung: Das Buch beginnt gleich zu Anfang sehr heftig und arg blutig, das deutet auf einen schonungslosen und gnadenlosen Thriller hin. Doch der Fokus wird schnell auf spannende und mehr als verzwickte Ermittlungen gelenkt. Hier wechselt der Autor zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Bis zum fragwürdigen Tod des Oberbürgermeisters von Kopenhagen Mogens Winther-Sørensen. Recht schnell wird klar, dass der Politiker in seinem Handeln und seinen Entscheidungen von der dominanten Mutter gesteuert wird, hier erscheint jedoch nicht das typische Bild eines „Muttersöhnchens“ sondern ganz andere Beweggründe, die ihn in seinem Tun und Handeln beeinflusst und gelenkt haben. Ebenfalls schnell wird deutlich, dass die Prostituierte, Serafine, die beim Eintreffen der Polizei am Tatort ist, den Ermordeten aus dem Jahr 1999 kannte. Zudem ist sie eine Transgender, sprich transsexuell und erhält weibliche Hormone. Das ist mysteriös, wirft neue Aspekte der Ermittlungen auf und macht den Leser neugierig. Schreibstil: Dass, was mich an den skandinavischen Büchern immer so reizt und lockt, erfüllt auch dieser Autor in seinem Genre perfekt. Ich mag die vielen Details, die Anekdoten zu Land und Leuten, die Straßennamen, die Familiennamen, die Sitten, Bräuche und natürlich die Landschaft und die Vegetation samt Klima. Genau diese Eindrücke gibt der Autor an seine Leser weiter. Ich habe in meiner Kindheit viel Zeit in Dänemark verbracht und erkenne viele Eindrücke einfach wieder, die der Autor gekonnt einfließen lässt. Der Autor wechselt in seinem rasanten und temporeichen Schreibstil zwischen Vergangenheit und Gegenwart, er streut mehrere Handlungsstränge, die er nur langsam zu verweben beginnt. Für ungeduldige Leser ist das ein ganz mieser Haken an dem Aufbau des Thrillers. Fragen kommen früh auf, werden aber nur mühselig beantwortet und verdeutlicht. Ich erlebe den Schreibstil des Autors Jakob Melander als sehr eindringlich, intensiv und psychologisch wirkend. Das Genre Thriller scheint der Autor zu beherrschen und geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er mit seinem Ermittler Lars Winkler und dem Team starke Züge eines guten Krimi einfließen lässt. Hier kommen Krimi- und Thrillerliebhaber gleichermaßen auf ihre Kosten. Jakob Melanders Stil wirkt sehr unterschwellig fesselnd und baut sich mit jeder Seite mehr und mehr zum Konstrukt des Grauens auf. Wie eine Treppe die man besteigt, so besteigt der Leser Schritt für Schritt einen Gipfel aus unglaublichem Gräuel. In ihrem zweiten Fall schöpft der Autor aus den Vollen und schockiert allein schon durch die gewählte Thematik und den Konstellationen. Eine perfekte Mischung aus spannenden Profiling, bestialischen Taten, krassen Ermittlungen, teils sarkastischen Dialogen und atmosphärischen Schauplätzen, sowie grauenvollen Kulissen und Handlungen ist dem Autor sprachlich sowie in der Umsetzung gelungen. Kurzweilig, rasant und mehr als komplex und verworren. Zum Verzweifeln, nicht nur für die eifrigen Ermittler, denen man als Leser zunächst auch sehr skeptisch gegenüber steht , und Vertuscher. Wer zu diesen schriftstellerischen Werkzeugen greift, wie es unser Autor hier wagt, der richtet sich an geduldige und nachsichtige Leser. Denn hier und da wird man über einige Hürden hinweg sehen müssen. Das was J. Melander hier in „Roter Nebel“ auftischt, sind keine flauen Ermittlungen, hier geht es sehr komplex und facettenreich zu. Immer neue Türen öffnen sich, wo andere sich scheinbar schließen. Der Kreis der Verdächtigen wächst und man hat bis zum Schluß das Gefühl, es könnte fast jeder gewesen sein, der in diesem Konstrukt die Fäden zieht. Unfreiwillig gerät man hier durch seinen Schreibstil direkt in das Geschehen und kann sich nicht mehr von den Seiten lösen. Charaktere: Für Leser, die den ersten Fall „Blutwind“ für Lars Winkler kennen, wird es sicherlich leichter sein, sind in dem Pool der Charaktere zurechtzufinden. Lars Winkler stellt den typischen Kommissar mit den typischen Klischees aus soliden Krimis dar. Hier wird er als ständig rauchenden, Kaffee schlürfenden und skeptischen Schwerenöter dargestellt, und so erleben wir ihn auch. Dennoch mag ich seine sarkastischen Bemerkungen, seinen Zynismus und die beißenden Dialoge, die entstehen. Er wohnt neben einer Baustelle, seine Wohnung ist chaotisch und scheint für ihn stets nur Zwischenstation zu sein. Er ernährt sich von Fertiggerichten, hat hier und da eine Liebelei und schwelgt in Erinnerungen aus seiner Jugend samt der damaligen Musikauswahl. Kurz gesagt: Er erfüllt nahezu jedes Klischee. Wir lernen auch die interessante Serafine kennen, die 1999 als Flüchtlingskind aus dem Kosovo nach Deutschland, und später nach Kopenhagen gekommen ist. Sie ist Zeugin des Mordes an dem Oberbürgermeister Mogens Winther-Sørensen. Nachdem die Polizei die Spur zu ihr hat, flieht sie zurück nach Deutschland und hegt in Hamburg den Wunsch einer Geschlechtsumwandlung. Widersacherin ist hier in diesem Thriller eine weibliche Person, Merethe, die Mutter des Mordopfers. Merethe ist eine machthungrige, dominante und kaltblütige Frau, die es nur auf ihren Ruf und ihre Karriere abgesehen hat. Dafür nimmt sie alles in Kauf. Neben diesen starken und polarisierenden Charakteren begegnen wir einer weiteren Vielzahl an Nebenrollen und Randfiguren. Lars und sein Team bei der Behörde. Auch hier begegnen wir unterschiedlichen Charakterstudien und Psychogrammen. Hier liegt der Schwerpunkt des Autors, auch wenn er sich mit der Vielzahl an Charakteren und Verstrickungen vielleicht doch ein wenig übernommen hat. Die vielen Nebenrollen, schmücken und einen dieses Buch und möbeln den ohnehin schon gelungenen Charakteren-Pool stark auf und sorgen für viel Kurzweil, aber auch für große Verwirrung. Aber auch Rückblicke und Perspektiven der Opfer und die dubiosen Hintergründe aus dem ersten Teil der Reihe fließen hier mit ein. Es entsteht ein komplexes Bild aus Gut und Böse. Meinung: Das ganz besondere an diesem Thriller ist, dass er auf vergangenen Büchern aufbaut, ohne dass man sie gelesen haben müsste. Man wird jedoch auf Lars Winkler Vorgeschichte „Blutwind“ so neugierig, dass ich diesen Fall gewiss auch noch lesen werde, allein schon um tiefre Einblicke und Erklärungen zu bekommen. Zwar sind die Fälle unabhängig, aber ich glaube ein gewissen Vorwissen scheint hier nicht fehl am Platze zu sein. Dieses Buch ist nicht nur (Psycho-) Thriller, es ist zudem grandiose Ermittlungsarbeit und allein durch das Nebulöse und Dubiose erhält der Plot unsagbar spannende Würze und fesselnde Noten. Für mich ein fast perfekter Thriller, wie er sein soll. Sehr komplex und undurchschaubar, leider aber auch sehr verwirrend und überladen. Ein professionelles Team und viele Spuren und Wendungen. Ein eindringlicher Verriss der gestörten menschlichen Seele… Ich mag skandinavische Spannungsliteratur, und auch dieses Buch überzeugt durch starke dänische Einflüsse in den Behörden, Namen, Straßen und Institutionen. Sehr gut gemacht. Mir gefällt zudem der sachliche und sprachlich geschickte Wortlaut des Autors, mit denen er die Ereignisse, Vorfälle und auch Ermittlungen in verschiedene Richtungen lenkt und der Leser immer neue eigene Mutmaßungen und Ermittlungsansätze anstellt. Leider bleiben aber auch am Ende zu viele Handlungsstränge unbedient und verlaufen ins Leere. Sehr schade, hier hätte es gern stimmigere Rundungen und Verknüpfungen geben dürfen. Schauplätze: Ein Dänemark-Thriller, wie ich ihn mag. Kopenhagen. Atmosphärisch, idyllisch, touristisch und ländertypisch. Die wahre Story jedoch findet in den geheimen Machenschaften und Privatleben der Charaktere statt. Jakob Melander gibt Einblicke in die Polizeiarbeit, in die gestörte Gedankenwelt der Verdächtigen, in die Leidenschaft der Angehörigen und Freunde, in die Seele eines Mannes im falschen Körper. Grandiose Umsetzung, bildhafte Darstellung, großes Kopfkino! Man erlebt Skandinavien und menschliche Abgründe, bestialische Orte und schönste Natur. Hautnah und mit jeder Faser. Cover: Dieses Cover ist ein Blickfang, grandios, weckt Neugierde und lädt zu Interpretationen ein. Typisch skandinavisch und einladend. Sieht zwar eher nach Schweden aus, da ich dieses Landschaftsbild in dieser Form in Dänemark noch nicht gesehen habe, aber es gefällt mit trotzdem. Hochwertige Verarbeitung, angenehmes Schriftbild und stimmige Aufteilung. Der Autor: "Jakob Melander, 1965 geboren, studierte Komparatistik an der Universität Kopenhagen und war jahrelang Gitarrist in mehreren dänischen Rock- und Punkbands. Nach seinem ersten Thriller "Blutwind" folgte "Roter Nebel", der zweite Band um den Polizisten Lars Winkler." Die Übersetzung: Ich finde es toll, dass an gewissen Passagen etwas von der Ursprünglichkeit erhalten blieb. Einige Dialoge sind zwar auf den ersten Blick nicht ganz ins Deutsche adaptiert, aber bieten so den treffenden und lockeren skandinavischen Ton und sorgen für Atmosphäre und Flair. Auch in den Schauplätzen ist der Ursprung des Buches noch zu finden. Ich finde es immer ganz lobenswert und intensiv für mich als Leserin diese feinen Noten noch aufspüren zu können. Im Gesamten wirkt die Übersetzung jedoch weniger rund und gelungen. Da habe ich vom Übersetzer schon galantere Werke gelesen (bsp. Anna Grue oder Sanne Munk Jensen). Aber im Grunde habe ich auch hier nichts Gravierendes auszusetzen und habe einen sehr zufriedenstellenden Thriller mit tiefsinniger Spannung lesen und erfahren dürfen. Der Übersetzer: „Ulrich Sonnenberg absolvierte nach dem Abitur eine Buchhändlerlehre. Anschließend hielt er sich mehrere Jahre in Kopenhagen auf, und später leitete er die Verkaufsabteilung des Suhrkamp- und Insel-Verlages. Seit 2004 lebt er als freier Übersetzer und Herausgeber in Frankfurt am Main. Sonnenberg übersetzt vorwiegend Belletristik aus dem Dänischen und Norwegischen ins Deutsche. Er ist Mitglied des Verbands Deutschsprachiger Übersetzer Literarischer und Wissenschaftlicher Werke. 2013 erhielt er gemeinsam mit Peter Urban-Halle den Dänischen Übersetzerpreis.“ Fazit: Lars Winkler ist zurück. Nachdem mich sein zweiter Fall „Roter Nebel“ überzeugen konnte, will ich nun auch in die Vorgeschichte „Blutwind“ abtauchen. Eine Reihe mit hohem Charakterpool und facettenreichen Konstellationen und einigen Hürden und Schwächen. Daher nur 3,5 Sterne, gerundet zu 4 vollen Sternen!

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