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Rezension zu
How to kill your family

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Drastisches Lesevergnügen

Von: Thomas Lawall
08.12.2022

Verdammt langweilig ist so ein Gefängnisaufenthalt. Ein länger andauernder erst recht. Nur einen einzigen Tag auszufüllen, kann schwierig werden. Tage, Wochen, Monate oder gar Jahre vergehen in Zeitlupe. Eine sinnvolle Aufgabe zu haben, wäre die Lösung. Jene hat Grace Bernard gefunden. Als Serienmörderin hat sie alle Zeit der Welt und sie hat nicht nur das Bedürfnis, aller Welt etwas mitzuteilen, sondern auch ein gewisses Schreibtalent. Was liegt also näher, als eine Art Biografie zu verfassen? Aber eine, die es in sich hat! Grace hat das Leben übel mitgespielt. Als uneheliches Kind passte sie nicht in die feine Gesellschaft ihres Vaters, der auch ihre Mutter gnadenlos fallen ließ, so als ob er ihnen ein Recht auf Existenz nicht zubilligen würde. Das konnte nicht ungesühnt bleiben, weshalb sie sich entschlossen hatte, die gesamte Familie ihres Vaters umzubringen. Es ist schon erstaunlich, welches Vergnügen, eine derart unmoralische Geschichte zu lesen, bereiten kann. Die knallharte Gesellschaftskritik sowieso, wobei gehobene Kreise sowie der männliche Teil ganz besonders schlecht wegkommen: "Häufig scheint es mir besser zu sein, keine Ahnung zu haben, was in einem männlichen Hirn so vor sich geht." Ohne pechschwarzen Humor geht hier gar nichts. Die üblichen Perspektiven werden einfach umgedreht. Man empfindet höchste Abneigungen für die Opfer, die teilweise ebenso ausgeklügelten wie spektakulären "Unfällen" zum Opfer fallen, während man der Täterin alle Sympathien schenkt: "Verzehre dich nie danach, im Licht eines Mannes zu stehen. Blas ihm lieber das Licht aus." Ziemlich erstaunlich, wenn die Taten im Grunde durch nichts zu rechtfertigen sind, gleichzeitig aber so etwas wie heimlichen Applaus auslösen. Einerseits darf es keine Selbstjustiz geben und die Rolle eines Richters ist ebenfalls nur dem hierfür vorgesehen Personal vorbehalten. Trotzdem übertritt die eine oder andere Wunschvorstellung nicht selten den ihr zugewiesenen Rahmen. Aber genau hier scheint der Reiz dieses Buches zu sein, denn wer kennt sie nicht, jene rasende Wut, die einen in die Katakomben purer Verzweiflung treiben kann, aber niemals ausgelebt werden kann und darf. Am Ende siegt meist die Vernunft, auch wenn sich aus den hintersten Hirnwinkeln wie von selbst und immer wieder der Satz formuliert: "Aber manchmal könnte ich ..." Jene Gedanken bedient "how to kill your family" ausführlichst, und hier ist das Böse erlaubt und jede Menge Platz für seine zahlreichen Geschwister Zynismus, Rache oder Schadenfreude. Wie man es anstellen könnte, ganz persönliche Rachepläne in die Tat umzusetzen, ohne dafür belangt zu werden, scheint sich also, eine sorgfältige Planung vorausgesetzt, relativ unkompliziert zu gestalten. Um so ärgerlicher, wenn man für ein Verbrechen, das man gar nicht begangen hat, verurteilt wird und trotzdem im Gefängnis landet...! Fast ist man gegen Ende der Geschichte etwas enttäuscht, da man sich das sehnlich erwartete Finale ganz anders vorgestellt hat. Weit gefehlt, denn es gestaltet sich komplexer als gedacht. Oft ereignet sich eine entscheidende Wendung erst auf den letzten Seiten oder gar erst auf der allerletzten. Diese zieht sich aber in dieser Geschichte über drei Kapitel. Ein 52seitiger Knalleffekt ist schon etwas besonderes! "how to kill your family" ist herrlich ambivalent, wie ein Vollbad in dampfenden Rachephantasien und ein drastisches Lesevergnügen.

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