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Rezension zu
Kinder des Aufbruchs

Dieser zweite Teil steht dem Vorgängerband in keiner Weise nach

Von: Christina Boersch von büchertanz.de
21.11.2022

Das Buch „Kinder des Aufbruchs“ ist der zweite Teil der Reihe um die Zwillingsschwestern Emma und Alice, welche in den 1960er Jahre in West-Berlin leben und dort während der Studentenbewegungen mit ihrer Vergangenheit konfrontiert werden. West-Berlin im Juni 1967: Bereits sechs Jahre sind seit dem Bau der Berliner Mauer vergangen, welche die Menschen nach wie vor unerbittlich voneinander trennt. Nach ihrer Flucht hat sich Alice gut in West-Berlin eingelebt und sie führt ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zu ihrer Zwillingsschwester Emma. Diese arbeitet als erfolgreiche Dolmetscherin und lebt mit ihrem Mann Julius zusammen, allerdings wird ihr Eheglück von einer Fehlgeburt überschattet. Alice ist Journalistin mit Herz und Seele und lebt mit ihrem Mann Max und ihrer Tochter Lisa zusammen. Mitten in den Studentenaufstände wird Alice von ihrer Vergangenheit eingeholt, baut daraufhin Kontakt mit einer Fluchthilfe-Organisation auf, was ihr Leben für immer verändern wird. Als dann ein schrecklicher Mord an der aus Ost-Berlin geflohenen Sängerin Irma Assmann geschieht, geraten Alice, Emma, Max und Julius zwischen die Fronten der Geheimdienste. Im August 2020 habe ich mit großer Begeisterung den ersten Teil „Kinder ihrer Zeit“ gelesen, welches mich von der ersten Seite an sehr in Atem gehalten hat. Ich freute mich sehr, als die Autorin in den Sozialen Medien im Juni 2022 einen zweiten Teil ankündigte – dieser landete sofort auf meiner Liste. Und was war das für eine Freude, als ich dann Ende Oktober diesen überraschend vom Diana Verlag als Rezensionsexemplar zugesendet bekommen habe, wofür ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte. Das Buch ist, wie der vorherige Band, ein hochwertiges Hardcover mit einem Buchumschlag. Im Inneren befinden sich vorne und hinten Karten von Mitteleuropa, mit dem Schwerpunkt des geteilten Deutschlands. Ein vergrößerter Ausschnitt aus der Karte zeigt das geteilte Berlin. Das stimmige Cover ( welches wunderbar zum ersten Band passt), zeigt eine Menschengruppe von vier Personen, welche vor der Mauer verweilt, dahinter erhebt sich das Brandenburger Tor mit dem Wappen der DDR. Die Handlung setzt sich aus mehreren einzelnen Teilen zusammen, welche sich wiederum in einzelne Kapitel aufteilen. Der Prolog des Buches spielt im Jahr 1965, die eigentliche Handlung setzt dann im Juni 1967 an und wird chronologisch bis Dezember 1968 erzählt. Die Danksagungen, ein ausführlicher Überblick über Wahrheit und Fiktion und ein Personenverzeichnis am Ende runden dieses Buch gelungen ab. Vor über zwei Jahren habe ich den ersten Band „Kinder ihrer Zeit“ gelesen und ich hatte Bedenken, ob ich mich wieder in die Charaktere und ihre Geschichten hineinfühlen kann. In den ersten Kapiteln musste ich immer wieder überlegen, wie das alles war und wie die Figuren miteinander zusammenhängen, aber dann war ich doch wieder in der Geschichte angekommen und die Erinnerungen kehrten zurück. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die Zwillingsschwestern Emma und Alice, welche mich bereits in „Kinder der Freiheit“ mit ihrer lebensechten Zeichnung und ihren spannenden Geschichten überzeugen konnten. Die Beiden haben sich authentisch weiterentwickelt: Sie sind jeweils verheiratet und während Alice bereits Mutter einer Tochter ist, bleibt Emma hingegen der Kinderwunsch nach einer Fehlgeburt verwehrt. Nach wie vor verbindet die Beiden eine innige Schwesternliebe und sie vertrauen sich vieles an. Auch wenn Alice einiges für sich behalten muss und vereinzelt Begebenheiten und Sachverhalte anders als ihre Schwester sieht, wissen sie beide, dass sie sich immer aufeinander verlassen können. Neben den beiden Schwestern spielen eine große Anzahl an weiteren Figuren mit. Hier empfand ich es sehr gelungen, dass neben den vielen fiktiven Charakteren auch einige historische Figuren und deren Schicksale (z.B. Benno Ohnesorg und Rudi Dutschke) den Weg in den Roman gefunden haben – dies förderte noch einmal die Glaubwürdigkeit und Authentizität der Geschichte. Diese historischen Figuren wurden so beschrieben, dass sie mir noch einmal sehr viel näher kamen und ich das Gefühl hatte, die Menschen dahinter kennen gelernt zu haben. Wirklich jeder Charakter, egal ob fiktiv oder historisch und gut oder böse, konnte mich völlig überzeugen. Sie alle zusammen geben ein gutes Bild der Gesellschaft ab, welche 20 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs tief gespalten ist: Nicht nur in West und Ost, sondern auch die Generationen sind mit ihren Ansichten und Lebensgewohnheiten weit auseinander gedriftet. Diese Spaltung stellt Claire Winter mit ihren facettenreichen Figuren sehr gut nach und sie verwebt die Geschichten ihrer fiktiven Charaktere perfekt mit den Lebensgeschichten der historischen Figuren und den akribisch recherchierten geschichtlichen Hintergründen. Diese geschichtlichen Hintergründe sind sehr vielfältig: Die beginnenden studentischen Unruhen, welche mit dem Tod von Benno Ohnesorg und dem Anschlag auf Rudi Dutschke, die gesamte BRD erfassten, aber auch die Arbeit von Fluchthilfe-Organisationen in West-Berlin, der Einfluss der (Springer-)Presse, der Gefangenenaustausch zwischen der BRD und der DDR und die mitunter fragwürdige Arbeit der Geheimdienste werden thematisiert und von der Autorin spannend in die Handlung eingearbeitet. Hier wird Geschichte sehr anschaulich, lebhaft und absolut fesselnd dargestellt. Claire Winter hat es mit ihrem bildlichen, lebhaften und detaillierten Sprachstil geschafft, mich direkt wieder in die Handlung zu ziehen. Immer wieder nahm ich das Buch gerne in die Hände, die letzten Seiten las ich mit vor Aufregung feuchten Händen – so spannend wurde es. Die 560 Seiten flogen nur so dahin und wieder einmal war das Buch viel zu schnell gelesen. Die packende Handlung des Buches, welche mich teilweise atemlos machte, baut auf den ersten Teil „Kinder ihrer Zeit“ auf. Ich empfinde es als nicht zwingend erforderlich, dass man diesen ersten Teil gelesen hat – ich empfehle es aber, da man dann einfach die Hintergründe kennt und Begebenheiten und die Denkweisen der Figuren besser einordnen kann. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, wäre es ein dritter Teil dieser tollen Reihe. Es gibt noch so viel, was die Zwillingsschwestern und all die anderen Figuren in ihrem familiären Umfeld erleben könnten. Im Geiste sehe ich unter anderem, wie sie am 09. November 1989 den Fall der Berliner Mauer miterleben. Ach … das wäre was. Herzlichen Dank an Claire Winter für dieses wunderbare und stimmungsvolle Lesevergnügen, welches mir einige geschichtliche und politische Themen sehr verdeutlicht und näher gebracht hat. Fazit: „Kinder des Aufbruchs“ ist ein sehr atmosphärischer Roman, mit ordentlich Spannung und Dramatik aber auch viel Emotionalität und Hoffnung. Dieser zweite Teil steht dem Vorgängerband in keiner Weise nach und konnte mich mit den spannungsgeladen historischen Hintergründen, der bildhaften Sprache und den facettenreichen Charakteren wieder komplett in den Bann ziehen. Absolut lesenswert!

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