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Rezension zu
Fräulein Wünsche und die Wunder ihrer Zeit

Das bewegende Schicksal einer Frankfurter Buchhändlerfamilie in den 1950er Jahren

Von: Susanne Edelmann
31.10.2022

Dieses Buch habe ich auf der Zugfahrt zur Frankfurter Buchmesse begonnen, abends im Hotel weitergelesen und auf der Heimfahrt beendet – ich hätte mir für diesen Anlass keine passendere Lektüre wünschen können! Die Geschichte handelt von der aus Leipzig stammenden Familie Wünsche, die dort eine alteingesessene Buchhandlung besessen hat. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg, als Leipzig der sowjetischen Zone zugeschlagen wird, flieht die Familie nach Frankfurt am Main, wo sie bei einer Tante unterkommt und Anfang 1950 einen neuen Buchladen eröffnet – zunächst einen einfachen Bretterverschlag, ein Provisorium mehr schlecht als recht. Doch mit viel Beharrlichkeit und Einsatz und nicht zuletzt auch dank des beginnenden Wirtschaftswunders gelingt es der Familie, die Buchhandlung nach und nach zu vergrößern und zu einem Erfolg zu machen. Soweit die Rahmenhandlung. Hauptfigur des Romans ist die ältere Tochter Karin. Die verliebt sich in einen afroamerikanischen Soldaten, was an sich schon problematisch ist, denn Liebesbeziehungen zwischen der weiblichen Bevölkerung und den männlichen Besatzern werden meist nicht gern gesehen, erst recht nicht, wenn es sich bei dem GI um einen Mann von dunkler Hautfarbe handelt. Deshalb verschweigt Karin die Beziehung auch ihren Eltern. Doch dann wird sie schwanger und Billy muss zurück in die USA, auf Briefe reagiert er nicht. Nun ist Karin die ledige Mutter eines dunkelhäutigen Kindes – ein Skandal in der damaligen Gesellschaft. Schon bald steht das Jugendamt auf der Matte und Karin muss um ihr Kind kämpfen. In der Familie Wünsche habe ich mich sofort wohlgefühlt. Trotz aller Schwierigkeiten halten die Familienmitglieder zusammen und auch wenn sie es meist nicht so offen aussprechen können, sind sie sich doch in aufrichtiger Liebe zugetan. Das hilft ihnen auch, Probleme gemeinsam zu meistern und Anfeindungen abzuwehren. Die Geschichte zeichnet ein sehr deutliches und leider auch sehr erschreckendes Bild von den damaligen Moralvorstellungen, vom Alltagsrassismus, aber auch von der Stellung der Frau in der Gesellschaft – mir war zum Beispiel vollkommen neu, dass damals selbst eine verheiratete Frau keinerlei Rechte an ihrem eigenen Kind hatte, die waren dem Vater vorbehalten oder einem anderen männlichen Vormund. Wie furchtbar ist das denn, bitte? So habe ich beim Lesen nicht nur viel gelernt, sondern auch mit Karin und ihrer Familie mitgelitten, mitgebangt und mitgehofft. Die Geschichte erstreckt sich im Wesentlichen über die 1950er Jahre, mit einem Prolog, der im Jahr 1946 angesiedelt ist. Neben der Familiengeschichte bekommt man auch einen schönen Einblick in den Buchhandel der damaligen Zeit und in die Wiederanfänge der Frankfurter Buchmesse, die nach dem Krieg 1949 zunächst in der Paulskirche, später dann im zerbombten Römer abgehalten wurde, bevor sie in die Messehallen umzog, in denen auch ich mich bei meinem Besuch aufgehalten habe. Ein sehr spannender, bewegender Roman mit viel Frankfurter Lokalkolorit und einer sehr gut eingefangenen Atmosphäre der 1950er Jahre. Übrigens: Juliane Michel ist das Pseudonym der Autorin Ulrike Sosnitza, von der ich schon etliche Romane mit großer Begeisterung gelesen habe.

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